galerie 2009 – 2015

Ruzica Zajec

Tanja Zimmermann

Neil Taylor

Michael Soltau

Sonja Rolfs

ARTMAPP Release Party

Mince pies #4 | Künstler der Galerie und Gäste

Alex Dipple | Purpose Maker

Marc W1353L | Caspar 4

Holger Lippmann | DATA – DADA

Juliane Laitzsch | Die Zeit, das Gegenüber und ich

Heiko Krause im | zwischen

Mince pies #3 „archer“ | Künstler und Gäste der Galerie

Cindy Schmiedichen | bis ins Weite

Plüschow Lounge | Investment

Rin Terada | sichtbares – verborgenes

Stefan Nestler | Travelling Wave

Iris Thürmer | systems

Sabine Herrmann | ART for a non-human

Udo Rathke | deluge

Mince pies #2 | Künstler + Gäste der Galerie

Natascha Pötz | Welt Reisen Album

Janet Zeugner | Neuer Strom

Sonja Rolfs | Lichträume

Lucia Schoop | Zu Wasser und zu Lande

Tanja Zimmermann | Seid ihr alle da ??!

Ruzica Zajec | Kleine Windstille

Holger Lippmann | poetic justice & digital rights

Mince pies #1

Iris Thürmer | 20 Arten zu vergessen

Juliane Laitzsch | rundherum

Lennart Alves | Time Works

Tim Kellner | I Am Not There

Claudia Maria Ammann | apfelbaum

Künstler der Galerie | das ist meins und das ist deins

 

Ruzica Zajec | Loreley
31. August bis 04. Oktober 2014

DSC_9584_ba

Foto © Galerie wolkenbank

Gegenwart

Ruzica Zajec sprengt mit ihren Arbeiten die dritte Dimension. Sie erfordernvom Betrachter nicht nur ein Betreten des künstlerischen Raums, sondernein bewusstes Agieren mit diesem. Konsequent verwendet die Künstlerin transparente, durchscheinende oder spiegelnde Materialien wie Glas, Cellophan oder Transparentpapier, die mehrere Ebenen der Wahrnehmung erlauben.

Spielt sie zwar mit Interferenzen und optischen Täuschungen in der Traditionder Op-Art, so ist sie jedoch am bloßen Effekt der Irritation nicht interessiert. Visuelle Irritation ist immer direkt mit der eigenen künstlerisch epistemischen Positionierung sowie der Interaktion mit dem Betrachter verbunden. Dieser Austausch erfolgt nicht nur in räumlichem Zusammenhang sondern auch in kontextuellem, emotionalem und zeitlichem. Ruzica Zajec steht insofern Künstlern wie Olafur Elliasson oder François Morellet näher als den Protago-nisten der Op-Art. Licht und Bewegung im Raum sind dabei zentrale Elemente ihrer Formsprache.

Fragiles Glas oder andere durchsichtige Materialien kontrastieren mit einer redu-zierten Farbpalette von opakem Wei, Schwarz, Blau, Grün und Rot. Die Arbeit Brise aus dem Jahr 2014 zeigt wellenförmig strukturierte, schwarze Noppen auf einer spiegelnden Glasfläche, die sich optisch von diesem Untergrund zu lösen scheinen und einen neuen virtuellen Raum öffnen. Der Betrachter sieht sich selbst und den realen Raum im Trägermaterial gespiegelt, außerdem nimmt er durch das Glas die Struktur der Wand darunter wahr. In seiner Bewegung undim sich wandelnden Licht fallen die schwarzen Punkte nun wie eine Brise über ihn und geben eine weitere, nicht räumliche sondern sensorische und kontextuelle Dimension frei.

In ihren neueren Werken wählt die gebürtige Kroatin feinsinnig deutschsprachige Titel aus, die subtil den eigentlichen Wortsinn definieren und eine kontextuelle Ebene öffnen: In der Arbeit Verzeihe mir lassen feine, in den textilen Untergrund gestochene Metallnadeln physischen Schmerz gewahr werden. Die Fotomontage Einfluss zeigt nicht nur den wörtlichen Sinn, in dem Wasser in einen Fluss ein-fließt, sondern auch den metaphorischen: mittels vieler kleiner Wassermengen kann und sollte Einfluss ausgeübt werden.

Ein zentrales Werk im Schaffen der Künstlerin ist die Arbeit Berührung aus dem Jahre 2003: Eine weiße Hand greift in einem gläsernen, zur Hälfte mit Wasser gefüllten Kasten durch die Wasseroberfläche, dabei wandelt sich ihre weiße, eintauchende Haut in schwarze. Leitmotive in Ruzica Zajecs Oeuvre sind das Durchdringen eines neuen Mediums, der Prozess des kontinuierlichen Wandels und der Fakt, das nichts ist, wie es scheint. Derzeit ist Zeit eine Dimension, die zunehmend in das Gesichtsfeld der Künstlerin rückt mit Arbeiten wie Seit Jahren, und die Gegenwart an sich relativ werden lässt.

Die Schweriner Kunstwissenschaftlerin Claudia Schönfeld, 2014

 

 

pfeil

 

 

 

Tanja Zimmermann | Hochsommer
20. Juli bis 23. August 2014

T.ZIMMERMANN_Collage_ba

Foto © Galerie wolkenbank

Tanja Zimmermann |Hochsommer

Dein Atelier im mecklenburgischen Klein Warin, im alten Speicher, kein Traum-
schloss und doch eine kleine Trotzburg. Einreißen und weiterwandern. In die Stadt, in die große Stadt, da wo die Musik ist, da wo das Lachen Straßen am Abend in lebensfrohe Plätze verwandelt, wo junge Männer mit flachen Bäuchen ihre Prinzessinnen spazieren führen. Dort ist Deine Kunst zu Hause, kurzweilig und berauschend. Lebensbejahend, spritzig wie ein Aperol an der Ecke italie-
nischer Leichtigkeit. Du bist im Norden aufgewachsen und liebst auch den Duft salzigen Wassers. Die Scholle, die braun, schwer, traurig sich vom grauen Schnee zu befreien versucht – das ist nichts für Dich.

Winter

Und doch, diese drückende norddeutsche Winterdepression hast Du eingefangen, auf handgeschöpften Papierbögen sichtbar gemacht. Umbra – die Schattenfarbe, krümeliges Ocker aus Ton, Quarz sowie Kalk, ein Palazzo-Grau oder dieses dun-
kle Algengrün. Schmutzige schwere Farben dick aufgelegt. Die Lunge braucht Raum, das Blut möchte Sauerstoff transportieren, jede Endfaser unseres Körpers schreit LUFT. Tanja Zimmermann zerreißt beherzt die undurchlässigen Schichten, sortiert die großen Farbschollen auf frischem Grund, probiert und klebt. Gesta-
pelte Bücher auf den auf dem Boden liegenden Bildern, aufgeschichtet wie kleine Gebirge, pressen die Schichten zusammen. Bücher voller Kunst, Inhalte ver-
schmelzen im Atelier. Am nächsten Morgen, die schweren Kunstbände stehen wieder auf ihrem Platz im Regal, die Montagen des Vortages werden kritisch
von der Künstlerin betrachtet. Mit schiefem Kopf, ein wenig unsicher beobachtet Tanja Zimmermann ihr Werk.

Frühling

Es sortiert sich, die Sonne kitzelt ein Lächeln in das Gesicht, Frühlingsbilder mit hellem Lindgrün und einer Prise Cadmiumgelb. Feine Tuschezeichnungen und locker hingeworfene Skizzen in Erwartung der Zirkustruppe, bunt, ausgelassen und frei.

Sommer

Losgezogen, nach Amerika, im Fluss auf Truckschläuchen schwebend die Leich-
tigkeit erprobend. Im Gastatelier Schiffchen in Magazinen entdecken und in
Fahrt bringen, ein shocking pink auf eine Pappe setzen. Und den amerikanischen Sommer mit dem Mecklenburger Grün und Blau aufmischen, mit dünnen Fäden zusammenschnüren. Das Ergebnis an die Wand heften, prüfen und posten und schon mal sagen „ich bin fündig geworden“.

Rückkehr

Danach im neuen hellen Atelier mit Warnowblick. Eine Stadt mit Stadtrecht,
auf der Rolle „Anno Domini 1586 am Tage Sankt Johannis des Teuffers habe
ich, Vicke Schorler dis vorgehemde Werck gantz un gar vollenbracht.“. Kultur, Hanseatische Bürgerlichkeit und sicherer Kunstgeschmack, immerhin Ostsee-
ringelrobbe, Seehund und Kegelrobbe im Ostseewasser. „Gespannt sind wir
und drücken die Daumen“ würde Uwe Johnson sagen der Morgen seinen 80. Geburtstag hätte feiern können.

Hochsommer

Verführt werden, schweben, staunen, berührt werden. An die Luft gehen, keine Luft mehr bekommen, in die Luft gehen. So Tanja Zimmermanns Kunst, so ihre Hochsommercollagen. Sommerlandluft auf dem Dorf, die kühle Jahreszeit in der Stadt. Wenn ich könnte, ich wäre auf Reisen. Tanja Zimmermann ist auf Reise, ständig, kleines Gepäck, Fernsucht und Sehnsucht. Wir sehen in dieser Aus-
stellung ihr Reisetagebuch. Wie lange kenne ich Dich schon, wie aufmerksam beobachte ich Dich. Wie überrascht Du mich – immer wieder. Kleine Pappen klappen sich zu kleinen Autos aus. Im Baskenland Bilbao besuchen, vom Narita International Airport im Taxi in die Tokioer Innenstadt. Vielleicht morgen am Mittelmeer entlang und in Haifa ins Schiff gestiegen, das Geschützgrollen im Horizont. Wo geht es hin?

Der Künstlerfreund

1934 in Kanada geboren und heute in Spanien lebend, der Schriftsteller
Mark Strand, ein Poet des „Nichts“. Liebe, Literatur und Kunst. Keine auf-
regenden Geschichten, aber genau die Geschichten die das Leben wie ein Segelboot bei Wind und Wellen gefährlich über das Meer treiben oder es bei Windstille zum Stillstand verdammen. 1990 traf Tanja Zimmermann den Schriftsteller persönlich. Seit dieser Zeit pflegen beide eine bildkünstlerische Konversation. Sein poetisches Werk, Tanja Zimmermanns Reisebilder, Zettel
an der Wand, herausgerissene Buchseiten, Notizen, handschriftliche Vermerke.

Hochsommer II

Man springt in das Wasser, verliert den Halt und die Orientierung, gibt auf
und lässt sich treiben. Dann kommen sie, die Abenteurer, heftig rudernd stoßen sie an das Ufer und legen Spielkarten auf eine Landkarte. Das Spiel geht weiter, eine Zeitschrift spendet das Bild, Tusche ergießt sich über Kind, Hund, Telegrafenstangen einer unbekannten Landstraße. Tanja Zimmermann faltet die Landkarte auseinander und wieder zusammen, sie montiert eine neue Welt auf das dünne Papier. Die Malerin lächelt, ihre eigenhändig geschöpften rauen Papiere aus der Kreuzberger Papiermacherwerkstatt Gangolf Ulbricht fühlen
sich gut an. Kombiniert mit dünnem Seidenpapier und dicker Pappe.

Wo bist Du?

Tanja Zimmermann zeichnet ein Kreuzworträtsel, stellt sich und uns die Frage: Wo bist Du, wo finde ich Dich? Mark Strand antwortet: „In einem Feld bin ich das, was es nicht ist. Immer ist das der Fall. Wo ich auch bin, bin ich das, was fehlt. 
Wenn ich gehe, teil ich die Luft, und immer strömt sie nach, um die Räume zu füllen, wo mein Körper gewesen ist. 
Alle haben wir Gründe, uns zu bewegen. Ich bewege mich, um die Dinge ganz zu lassen.“

Holger Stark, 2014-07-19

 

 

pfeil

 

 

 

Neil Taylor | Constellating Matters
08. Juni bis 12. Juli 2014

wb140607-07_NeilTaylor_ba

Foto © Thomas Häntzschel | nordlicht

1888 reichte der Engländer Dr. John Boyd Dunlop ein Patent ein. Es handelte sich um einen luftgefüllten Reifen aus Gummischlauch. Um einen Gummireifen zu produzieren, benötigte man das Naturprodukt Kautschuk. Und so wurde auf dem afrikanischem Kontinent ein Kautschuk-Boom ausgelöst, Beginn eines düsteren Kapitels europäischer Kolonialgeschichte.
Neil Taylor beschäftigt sich seit Jahren mit diesem Thema. Er sucht Spuren, Fingerabdrücke der Geschichte. Wahre Geschichten: Gummi, abgeschlagene Hände und Füße afrikanischer Sklaven, Söldnerarmeen, Blut. Unwahre Geschichten: Holz aus dem Garten Eden vom angeblichen Kreuz Jesu Christi. Diese Materialien mixt der Künstler und setzt sie als Elemente auf sein Zeichenpapier und großformatige Leinwände. Die Spuren verbinden sich, fiktive und wahre Geschichten überlagern sich. Neil Taylor erfindet bemalte Holzantennen „Jeder Ausgang ist auch ein Eingang“ – Sender und Empfänger wie er betont. Sie lehnen an den Wänden und blockieren den Fußgängerweg vor der Galerie. Man muss schon hinschauen.
Im Rahmen des Festivals für zeitgenössische Kunst „ZUFLUCHT – VON DER SEHNSUCHT DES PARADIESES“ in Mecklenburg-Vorpommern haben die Künstler Neil Taylor aus London und Ragnheiður Harpa Leifsdóttir aus Reykjavík auf Einladung der Galerie wolkenbank im Mai 2014 einen Monat im Künstlerhaus Lukas in Ahrenshoop direkt an der Ostseeküste gearbeitet.
Zur Ausstellungseröffnung am 07. Juni 2014 wurde in der Galerie eine Performance der isländischen Künstlerin Ragnheiður Harpa Leifsdóttir gemeinsam mit den Gästen zelebriert.

 

 

pfeil

 

 

 

Michael Soltau | Close to the Edge
11. bis 31. Mai 2014

wb140510-01_MSoltau_ba

Foto © Thomas Häntzschel | nordlicht

Close to the Edge, eine Fotoausstellung die keine Fotoausstellung ist.

Barocke Blumenbilder, unsere Nachbarin, eine russischstämmige Opernsängerin, presst ihr Gesicht an die Scheibe der Galerie. Endlich vernünftige Bilder, nicht immer diese… „da hat doch mal jemand Stangen wie Besenstiele in die Galerie gestellt, stellen sie sich das einmal vor“. Ich bin froh, dass die emotional geübte und erregbare Frau nicht um die Ecke schaut. Sitzt da eine nackte Frau etwa auf einem Kopierer? Neben sich ein Stück Fleisch, heißes Fleisch, rohes Fleisch.

Erotische Provokateure kennt die Kunstgeschichte. Gustave Courbet, Egon Schiele, Balthus, 150 Jahre provokative Nacktheit im Museum. Und wenn wir wollen noch einmal weit zurück, die antiken Erotikdarstellungen der Griechen und Römer, neben den Eingangstüren der Häuser eingemeißelt in die Steinwände „Hic habitat felicitas“ (Hier wohnt die Glückseligkeit).

Von Pompeji zurück zu den, „stellen sie sich vor“, Besenstielen. Oder Blumen-kadaver, zerschmetterte Blumen in schwarz und weiß. Die Videoarbeit des Greifswalder Künstlers Michael Soltau macht aus Schön Unschön, Verwelkung, Auflösung. Für den künstlerisch geschulten Rezipienten ein wunderbarer Verwandlungsprozess hin zur Grafik, ein Spiel mit der Reduzierung, ein kleiner Geistertanz. „Sag mir wo die Blumen sind, Where Have All The Flowers Gone…“. Ach da sind sie. Lilien. Schön. Schön verpackt. Schön eingeschnürt. Schon wieder diese kleine Provokation. Nobuyoshi Araki hat aus der Kunst des Fesselns, Shibari oder auch Kinbaku in Japan genannt, zeitgenössische Kunst gemacht. Hat Lady Gaga und die isländische Sängerin Björk verschnürt. Die Frauen sollen Schlange stehen, um vom Meister gefesselt zu werden.

Eine Frau mit langen Haaren taucht ihren Kopf unter die Wasseroberfläche, verharrt kurz und bewegt sich wieder zurück. Ob sie die Atemluft erreicht bleibt verborgen, ihr Gesicht taucht wieder ab, aus ihrem Mund sprudeln kleine Wasserbläschen, sie erreicht fast die Oberfläche – und taucht wieder ab. Diese Sequenz wiederholt sich. In verschiedenen Videoarbeiten von Michael Soltau wechseln die Gesichter. Zum Atem holen bleibt keine Zeit. Die Schönheit wieder in Fesseln, Close to the Edge, dicht am Rand, dicht an der Brunnenkante.Zum Atem holen bleibt keine Zeit.

„Das arme Mädchen musste sich täglich an den Brunnen setzen und so viel spinnen, dass ihm das Blut aus den Fingern sprang. Nun trug es sich zu, dass die Spule einmal ganz blutig war, da bückte es sich damit in den Brunnen und wollte sie abwaschen; sie sprang ihm aber aus der Hand und fiel hinab. Das Mädchen weinte, lief zur Stiefmutter und erzählte ihr das Unglück. Sie schalt es aber so heftig und war so unbarmherzig, dass sie sprach: „Hast du die Spule hinunterfallen lassen, so hol sie auch wieder herauf.“ Da ging das Mädchen zu dem Brunnen zurück und wusste nicht, was es anfangen sollte; und in seiner Herzensangst sprang es in den Brunnen hinein, um die Spule zu holen. Es verlor die Besinnung, und als es erwachte und wieder zu sich selber kam, war es auf einer schönen Wiese, wo die Sonne schien und vieltausend Blumen standen…“

Blumen. Wo die Sonne schien und vieltausend Blumen standen, ein Märchen,ein Entrücken. Michael Soltau bietet barocke Sinnesfreude und kratzt die verführerischen Farbschichten wieder ab. Am Ende verbleibt ein graues Rechteck, unklar und verschwommen, der Pflanzkasten für die neue Aussaat. Und jetzt erschließen sich auch die Fensterbilder in der Ausstellung, Lichteinlass und Schutz für ein Gewächshaus. Hinter den Fenstern einer Galerie Bewegung in einer Nährlösung, Kunst, ein Experiment.

Glasscheiben, keine analogen oder digitalen Fotos zeigt uns der Künstler, alle Bilder sind Scanbilder. Unscharf wie die Frau (doch auf dem Kopierer!), verharrend wie ein technischer Unfall, hoch aufgelöst, Messerscharf und ein wenig entrückt. Keine kühlen nackten Helmut Newtons, „Veruschka“, Nizza 1975, die Scham verdeckend. Bei Michael Soltau gibt es kein Body is perfect, hier wird der Film immer wieder neu geschnitten. Um technische Perfektion bemühte Bildkünstler können sehr ermüdend sein, ein gefühlsmäßiges Eindringen in ihre Arbeiten ist kaum möglich. Kein Gefühl entweicht den Silbergelatineabzügen oder C-prints. Die Ausstellung Close to the Edge dagegen gibt dem Rezipienten Spielraum. Diesen sollten wir nutzen.

Holger Stark, 10. Mai 2014

 

 

pfeil

 

 

 

Sonja Rolfs | Grün
30. März bis 03. Mai 2014

wb140328-13_SR_ba

Foto © Thomas Häntzschel | nordlicht

Film: Videoredakteur Bert Scharffenberg

Grundversorgung mit Licht
Die industrielle Beleuchtung des modernen Alltags kann einem gehörig auf die Nerven gehen. Nicht so der Einsatz von Licht zu Kunstzwecken. Licht war und ist in der westlichen Kultur immer schon mehr als ein physikalisches Phänomen, nämlich Metapher von Erkenntnis oder Transzendenz.

Zuerst zeigt mir Sonja Rolfs ein kleines Loch, das sie in einen Karton geschnitten hat, der als Teil eines großen Kastenobjekts vor dem Fenster steht. Ihre Spezialität sind Öffnungen, die sie schneidet, damit man von drinnen den Himmel sehen kann. Vielleicht so etwas wie die Sky Spaces, die James Turrell in Raumdecken schneidet, damit sich der Himmel wie ein dunkelblaues Gewölbe über das Loch erheben oder nachts schwarz in den Raum sickern kann, nur eben viel, viel kleiner und intimer. Ihre Kunst zwingt einen zum Staunen. Ihre Licht-Räume sind Illusionsschau und Seelenfutter in einem.

Wenn man in Sonja Rolfs’ Objektkästen hineinschaut oder sich traut, ihre raumgreifenden Installationen zu durchschreiten, erwartet einen ein Bewusstseins-Erlebnis. Man fühlt sich wie an einem Ort der Meditation, an dem die Kunst den Betrachter zur Besinnung bringt.

Seit 2005 konzipiert Sonja Rolfs Lichträume. Licht ist ihr Medium und ist wiederkehrendes Motiv. Die Sprache des Lichts ist ihre Kunst.

Eine spezielle Erfahrung, die man mit Sonja Rolfs Kunst machen kann, ist, Architektur und Raum unter der Perspektive von Licht zu sehen. Damit ist es ihr gelungen, Bildlichkeit aus der Zweidimensionalität zu lösen und in die Dreidimensionalität des Raumes, der Objektkunst und der Installation überzuleiten. Während Lichtkünstler wie James Turrell gigantische Bildräume erzeugen und mit dem Illusionismus der Fläche arbeiten, integriert Sonja Rolfs Licht in dreidimensional skulpturalen Zusammenhängen, die die typische couleur locale haben. Alles bei ihr spielt sich im Umfeld der Rostocker Nikolaikirche ab, wo sie am Wendländer Schilde ihr kleines Atelier hat. Dort sucht sie in der Kunst eine lichte, der Düsternis unserer Existenz abgerungene Ordnung. Erstaunlicherweise genügen ihr dafür ein paar einfache Materialien: Farbe, Pappe, Folien, Transparentpapier, Holzleisten und -platten, Metallstangen, Spiegel, Neonröhren sowie Elektrokabel und Stecker. Die Raum verändernde Aktivität des Lichts löst über ihre Werke eine Sichtbarkeit aus, durch die Wahrnehmung fokussiert wird.

Es gibt Lichtkästen von Sonja Rolfs, deren Sensation der Farbe den Eindruck erzeugt, als seien diese gleichermaßen realistischen wie abstrakten Raum-Bilder nicht von dieser Welt – und unsere Wirklichkeit nur Vorschein einer anderen.
Wenn man das, verwegen genug, Transzendenz nennen will, dann wird diese Transzendenz in der Tat von den von innen heraus glühenden Farben hervorgerufen. Ob die Künstlerin damit ihr und unser Sehnsuchtsvakuum zu füllen vermag, ob Gegenwartskunst überhaupt eine derartiges Wunder vollbringen kann, bleibt offen. Aber zumindest ein Fensterchen in Richtung spiritueller Grundversorgung wurde aufgestoßen.

Text des Berliner Kunstwissenschaftlers Christoph Tannert anlässlich der Kunstpreisnominierung der Künstlerin 2012 in der Kunstsammlung Neubrandenburg

 

 

pfeil

 

 

 

ARTMAPP Magazin und App RELEASE PARTY
22. bis 26. März 2014

ARTMAPP Release Party_01

Foto © Thomas Häntzschel | nordlicht

Film: Videoredakteur Bert Scharffenberg

ARTMAPP Release Party und Ausstellungseröffnung am 22. März 2014 in der Galerie wolkenbank. Die fünfte Ausgabe des Magazins ARTMAPP widmet sich der Kunst in Mecklenburg-Vorpommern. Die Galerie zeigt Werke von 15 Künstlerinnen und Künstlern aus Mecklenburg-Vorpommern, die in dem Heft vorgestellt werden. Herausgeber Reiner Brouwer hat mit dem Themen- schwerpunkt Kunst im Nordosten Deutschlands ein Reiseland für den anspruchsvollen Kunst- und Kulturinteressierten aufgezeichnet. Zur Release-Party wird die neueste Ausgabe der ARTMAPP vorgestellt. Moderiert von der Galeristin Susanne Burmester von der Insel Rügen gibt es Einblicke in den Entstehungsprozess des Magazins und die Arbeit ausgewählter Kunstakteure in M-V. Musikalisch wird die Party von CLICKSANDERRORS begleitet, junge experimentelle Elektronika aus Mecklenburg-Vorpommern.

Musik: clicksanderrors

Künstler der ARTMAPP Release Party AUSSTELLUNG:

Sven Johne (courtesy Klemm´s), Katia Klose, Michael Lauterjung,Oskar Manigk (courtesy Galerie Schwarz), Sebastian Menzke (courtesy Galerie Kristine Hamann), Ulrike Mundt (courtesy Susanne Burmester Galerie), Mark Pepper,Udo Rathke, Paetrick Schmidt, Michael Soltau, Mike Strauch (courtesy Galerie Hartwich), Günther Uecker, Christin Wilcken, Miro Zahra, Tanja Zimmermann (courtesy Galerie wolkenbank)

140324-OZ-HP-WOL-13-13

Ostsee-Zeitung, 24. März 2014

 

 

pfeil

 

 

 

Mince pies #4 | Künstler der Galerie und Gäste
08. Dezember 2013 bis 11. Januar 2014

2013_Mince_pies_4_01

Foto © Thomas Häntzschel | nordlicht

Kurswechsel – Das Petit Déjeuner auf der MS Charlesville
Die Galerie wolkenbank in Rostock beendet seit drei Jahren das Ausstellungsjahr mit der Ausstellung Mince pies. Zu dieser, in jedem Jahr einem anderen Thema zugewandte Gruppenausstellung, laden wir Künstlerinnen und Künstler der Galerie und Gäste ein. Das Thema 2013/14 lautet „Schiffe versenken“.
Das ist ein vergnügliches, die Langeweile vertreibendes Spiel, manchmal ein gewaltsamer Akt, 2013 in Rostock auch mal das hollywoodreife Ende eines kulturpolitischen Desasters. Ende Mai versank vor der polnischen Ostseeküste ein Schiff, ein Stück Rostocker Kulturgut. Die „Georg Büchner“, stählernes Denkmal maritimer Geschichte und Objekt kontroverser Kulturpolitik, liegt nun in 37 m Tiefe auf Sand. Die Kunst „Schiffe (zu) versenken“.

Beteiligt an der Ausstellung sind in diesem Jahr die Künstlerinnen und Künstler Lennart Alves, Maurice Doherty, Jürgen Eisenacher, Anett Frontzek,Pierre Granoux, Marthe Krüger, Juliane Laitzsch, Holger Lippmann,Kerstin Schiefner, Cindy Schmiedichen, Ruzica Zajec, Majla Zeneli,Janet Zeugner und Tanja Zimmermann.

Die Künstlerin Anett Frontzek, 2013 Stipendiatin im Schleswig-Holstein-Haus in Rostock, schreibt zu ihrer Zeichnung ‘Petit Déjeuner 1955 auf der MS Charlesville‘: „Ob es nur für die Besatzung des Schiffes oder auch für die Reisenden bereit stand, lässt sich der Speisekarte nicht entnehmen. Zumindest wechselte die Speisekarte des im Liniendienst zwischen Belgien und Belgisch-Kongo eingesetzten Schiffes täglich“.

Ende September erreicht unsere Galerie eine E-Mail aus dem Büro des Rostocker Oberbürgermeisters mit der Bitte um Streichung aus unserem Galeriepostverteiler. Einen Monat später wird (nach unserer freundlichen Nachfrage) das Begehren rückgängig gemacht „…Hierbei wurde … nicht darauf geachtet, das … uns auch wichtige lokale Einrichtungen regelmäßig über ihre Aktivitäten informieren und nicht gleichzusetzen sind mit Werbemails und ähnlichem. Wir bedauern dies und bitten Sie, uns wieder regelmäßig über Ihre Aktivitäten zu informieren.“ Dürfen wir das Schreiben aus dem Rathaus als Kurswechsels hin zu einer zukünftigen kommunikationsfreundlichen Kulturstadt Rostock interpretieren?

Lässig kommentiert Maurice Doherty in unserer Ausstellung den Titel seine Arbeit ‘Rise Up’: “is a very straight forward statement and there is not much to say about it”.

 

 

pfeil

 

 

 

Alex Dipple | Purpose Maker
13. Oktober bis 16. November 2013

001_AlexDIPPLE

„Double Does 2“ und „o.T. (Damien Hirst / Piet Mondrian)“ by Alex Dipple
Foto © Thomas Häntzschel | nordlicht

„Wie es scheint bezieht Alex Dipple ihre künstlerischen Inspirationen aus prosaischen Quellen wie Tageszeitungen. Dieser Vorgang ist weit mehr als ein Querlesen der heutigen Popkultur in der zeitgenössischen Kunst. (…) Ein gewiss ärmlicher Vorgang bezüglich der Vergänglichkeit ihrer Quellen. Alex Dipple wirft Fragen bezüglich der tatsächlichen Verständlichkeit heutiger Erfahrungserlebnisse auf. Selten ist in der zeitgenössischen Kunst solche Tragik und Erschöpfung im Kampf um eine Verständlichkeit erkennbar. Diese ihren Arbeiten innewohnende Schärfe ist der vorsichtige Versuch alle diese Informationsfetzen aus dem unergründlichen täglichen Klärschlamm „geschenkter“ Texte in irgendeinem Sinne wieder lesbar zu machen.“ Tom McGlynn (amerikanischer Kurator)

Alex Dipple selbst kommentiert ihre Arbeit mit den Worten: „Meine gemalten Zeitungen ermutigen eine andere Lesart der Nachrichten. Das ist schön und zwecklos – in einer Weise, die mit Klarheit zeigt, wie die Medien es darstellen.“

Der Ausstellungstitel „Purpose Maker„ bezieht sich auf ein 1995 kreiertes Sub-Musik-Label Jeff Mills aus New York und Berlin. Der Musiker gilt als einer der bedeutendsten Techno-DJs und – Produzenten. In diesem Sinne dreht Alex Dipple in ihrem Londoner Atelier an den Vinylplatten, stoppt, zerschneidet und kollagiert tägliche Bildinformationen oder positioniert Klassiker aus dem Umfeld der Moderne Kunst neu.

 

 

pfeil

 

 

 

Marc W1353L | Caspar 4
31. August bis 05. Oktober 2013

MarcW1353L_Galeriewolkenbank_000

Marc W1353L [Wiesel] neben der Arbeit „History Repeating #4“ / Foto © Thomas Häntzschel | nordlicht

Auszüge aus der Einführungsrede von Dr. Antonia Napp in die Ausstellung zur Eröffnung am 31. August 2013 in der Galerie wolkenbank

Marc W1353L [Wiesel] | Caspar 4 oder Möglichkeiten einer Perspektive

Schon der Titel dieser Ausstellung stößt uns darauf – wir sind mitten im Fluss. Caspar 4 – da  da muss es doch schon Caspar 1, 2 und 3 gegeben haben? Haben wir etwas verpasst? Tatsächlich arbeitet Marc W1353L nicht ohne Voraussetzungen, nicht auf einer Tabula rasa, sondern greift auf Dinge zurück, die unser Leben bestimmen, entwickelt aus schon zurückliegenden Geschehnissen (wie seinem Caspar David-Friedrich-Stipendium) Neues. Wir steigen hier also ein in einen Fluss und werden sehen, was wir dabei finden. Wenn es zunächst so scheint, als seien diese Arbeiten hermetisch, merkwürdig unzugänglich, unaussprechlich wie der Künstlername – dann ist das nur für einen ersten Moment so. Denn die Voraussetzungen, um in die Werke einzusteigen, den Schlüssel zu ihrem Verständnis haben wir alle bei uns.

Buchstaben, Alltagsgegenstände, Ausstellungs-, und Filmplakate – wenn Künstler „den Alltag in die Kunst integrieren“, wie man spätestens seit dem Kubismus mit seinen Collagen und dem Dadaismus mit seinen Satzfetzen und Fundstücken so schön sagt, dann meint man genau das: den Alltag in seiner Materialität, den gebrauchten Bruchstücken, Dingen, Schnipseln, deren Herausfallen aus ihrem Funktionszusammenhang ihnen eine eigenartige Aura verleiht, welche Künstler in ihre Werke hineinbringen. Wenn Marc W1353L aber mit dem arbeitet, was uns umgibt, was unser Leben, vor allem auch unser kulturelles Wissen prägt, dann ist das etwas ganz anderes und es entsteht auch etwas anderes  […]

Die Texte verändern sich also überraschend; Hamlet schwebt als leichtes helles Quadrat mit dem kleinen Verbindungs“hals“ des Monologs über einem sehr kompakten, schwarzen Sockel – Ergebnis verschiedener Textfilter zwischen dem Teil vor dem To Be-Monolog und dem danach. Das neue Testament und Patti Smiths Songtext „Gloria“ werden gefiltert, auf Plexiglas aufgezogen und hintereinander gesetzt – das ergibt  ganz neue Wortkonstellationen auch in diesem zunächst erratisch wirkenden Buchstabenrauschen.  […]

Gegenüber den Textarbeiten und den Patternarbeiten gibt es in der Ausstellung Arbeiten von ungeheurer visueller Klarheit, die einen weiteren Faktor im Schaffen Marc W1353Ls sehr eindrücklich machen – die Zeit. In seiner Bearbeitung des epischen Gedichts Paradise Lost von John Milton, geht er einerseits vor wie oben beschrieben, in dem das Wort Paradise entfernt wurde – also wortwörtlich verloren ging – oder eben alles übrige, außer den Buchstaben, die das Wort Paradise bilden. […]

Der Fluss der Zeit läuft weiter, und so bleibt diese Ausstellung auch nicht stehen, sondern es wird sich wohl lohnen, in einigen Wochen hier wieder hereinzuschneien – wer weiß, welche Metamorphose die Ausstellung und die Werke genommen haben …

 

 

pfeil

 

 

 

Holger Lippmann | DATA – DADA
20. Juli bis 24. August 2013

HolgerLIPPMANN(a)Galeriewolkenbank

Foto © Jakob Stark

Wir steigen heute in ein modernes Auto und werden mit 80 elektronischen Steuergeräten, 5000 Meter Leitungen und tausenden Befehlen und Abgleichvorgängen pro Sekunde auf der Straße geführt. Blind, vertrauensvoll und gewöhnungsfreudig verlassen wir uns auf die unsichtbaren Helfer. Ein Antiblockiersystem, das ABS ist eines der bekannten Systeme. Auf nassen Strassen reguliert das heute elektronische, in den 1920ern hydraulisch-mechanisch funktionierende System die Bremswirkung und sorgt dafür, dass wir nicht die Kontrolle verlieren und möglichst unfallfrei die Fahrt fortsetzen können.

Ein Problem für uns? Denken wir über diese elektronischen Helfer in unserer heutigen Alltäglichkeit nach? Haben wir nicht inzwischen gelernt A und B, automatic and body feeling, zu unterscheiden aber ausgewogen in Einklang zu bekommen?
Ein Besucher betritt die Galerie, die Kreditkarte steckt neben seiner Fahrerlaubnis. Er ist gut vorbereitet. In der Ausstellung werden digitale Positionen eines anerkannten zeitgenössischen Künstlers gezeigt. Der Besucher ist kein unerfahrener Rezipient, er beschäftigt sich schon lange mit zeitgenössischer Bildenden Kunst. Und doch scheint ihn eine ernsthafte Frage zu beschäftigen: ist das Kunst von Künstlerhand oder hat das eine Maschine gemacht?

Was verunsichert uns? Haben wir Angst das Auto fährt ohne uns? Glauben wir gute, computergenerierte Kunst entsteht ohne Künstlerbeteiligung? Dann sollten wir auch einem Paul Jackson Pollock misstrauen und der Schwerkraft selbstständige künstlerische Kreativität einräumen.
In der vorigen Woche habe ich in der Wismarer Hochschule anlässlich der dortigen alljährlichen DIA einen inspirierenden Gastvortrag von Professor Bazon Brock erleben dürfen. Bazon Brock sprach von der Hand als interlektuelles Werkzeug. Die Hand spürt und reagiert und formt ähnlich wie unser Gehirn. Es sind die Kinderhände im feuchten Strandsand, ein Stück Kreide auf dem Asphalt, ein Draht zum Biegen. Es sind unsere Augen, unser Hirn, unsere Seele. Wir bringen die Maschinen zum spielen, wir mischen die Farben, wir stoppen eine Bewegung, wir wählen aus. Wir frohlocken und verzweifeln.

Holger Lippmann, 1960 geboren, an der Dresdner Kunsthochschule als Bildhauer ausgebildet und 1992 bis 94 am New Yorker Institut of Technologie im Computer Art Department an raumgroßen IBM-Computern sich dem Bereich digitaler Kunst erstmalig nähernd, hat bereits 2011 hier in der Galerie wolkenbank in einer Personalausstellung seine Arbeiten vorgestellt. Während damals in der Ausstellung „poetic justice & digital rights“ vor allem digitale Leinwände dominierten, hat der Künstler für seine aktuelle Ausstellung „DATA – DADA“ neben neuen Bildern auch wieder zur Skulptur gefunden. Mit einem Laser hat Holger Lippmann in seinem Atelier Tiefengravuren in Holzplatten geschnitten und diese dann zu „iso- und packingboxes“ montiert. Mit einem CNC-Fräser wurde dagegen die „wavebox“ aus einem Block geschnitten. Diese mittels generativer Programmierung entstandenen Arbeiten benötigen eine Bildhauerhand, eine denkende Hand.

Der Künstler und Medientheoretiker Peter Weibel hat in einem Aufsatz über Wechselwirkungen von Kunst und Computer geschrieben: „Die Künstler warten nicht darauf, dass jemand neue Technik an sie heranträgt, sondern die Arbeitsmittel werden seit ewigen Zeiten von ihnen selbst mitentwickelt, ob in der Ölmalerei oder am Computer… Vom Tafelbild bis zum Bildschirm, vom Plakat zum Film gibt es immer wieder neue Medien des Bildes. Die Malerei ist eine historische Produktionsbedingung, die auch heute noch Höhepunkte hervorbringt… Aber die Netzkunst ist eine aktuelle Kunstform, im Gegensatz zu den historischen Kunstformen, und das Interesse an ihr wird weiter zunehmen….“

In diesem Sinne möchte ich die Ausstellung „DATA – DADA“ von Holger Lippmann eröffnen.
Als Gast heute begleitet „trans alp“, ein Projekt des Musikers Sebastian Drichelt aus Dresden, die Ausstellung musikalisch – natürlich live-elektronisch.

Juli 2013

 

 

pfeil

 

 

 

Juliane Laitzsch | Die Zeit, das Gegenüber und ich
09. Juni bis 13. Juli 2013

001_JulianeLAITZSCH

Foto © Thomas Häntzschel | nordlicht

 

pfeil

 

 

 

Heiko Krause im | zwischen
28. April bis 01. Juni 2013

HeikoKRAUSEwolkenbank

Foto © Thomas Häntzschel | nordlicht

Die vermeintliche Leichtigkeit der Fotografie hat etwas Trügerisches

Mit seiner Fotoserie Russemblage ist der Greifswalder Künstler Heiko Krause bekannt geworden. 2007 bis 2009 fotografierte er die sich in Auflösung befindlichen Kasernenräume der Sowjetarmee auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. In der Feuchtigkeit herabgleitende Tapeten, sich kristallförmig auflösender Putz, aufquellende Holzböden und abblätternde Farbschichten wurden in Heiko Krauses fotografischen Szenographien Kunstorte voller Schönheit und Lyrik.

Mit der 2011 begonnenen Serie „im | zwischen“ beschränkt sich der Fotograf nicht mehr auf einen speziellen Ort geschichtlicher Topografie. Heiko Krause durchstreift (s)eine Stadt wie ein Fremder, achtlos abgeschüttete Bauabfälle erwecken sein Interesse genau wie ein mysteriöses Loch im Schnee, aus dem ein Stiefel herausragt. Im Park verbirgt eine Buschgruppe einen mit Sonnenflecken geschmückten braunen Sessel aus den 70ern und an einem verlassenen Gartenhäuschen hängen noch die bunten Plastikstreifen des Fliegenschutzes.

Uneitle Bildmotive, keine bekannten Gebäude oder berühmten Personen der Zeitgeschichte interessieren den 1974 geborenen Künstler. Heiko Krause baut aus äußerst banalen, so gar nicht fotogenen Alltagssituationen spannende Geschichten. Manche Bildobjekte wären vermutlich nur einem sehr aufmerksamen Spurensucher aufgefallen. Heiko Krause findet sie, verzichtet aber auf jegliche Erklärung. Die Augen des Betrachters wandern von einem Fund zum nächsten, Indizien einer nicht rekonstruierbaren Geschichte.

Heiko Krause arbeitet heute als Assistent im Bereich visuelle Medien am Lehrstuhl für Bildende Kunst am Caspar-David-Friedrich-Institut der Universität Greifswald. Bei Prof. Michael Soltau und später in der Berliner Meisterklasse von Arno Fischer hat der Künstler seinen fotografischen Blick schärfen können. Fotografie ist eine komplizierte Sache. Der Fotokünstler und Turner-Preisträger Wolfgang Tillmans sagt in einem Gespräch: „Die vermeintliche Leichtigkeit der Fotografie hat eben auch etwas sehr Trügerisches. Es scheint immer so einfach zu sein, ein halbwegs kompetentes Foto zu machen – heute mehr denn je. Dabei ist Fotografie ein eher schwieriges Medium. Vermutlich verrät dieser Widerspruch zwischen dem, was ein Foto ist, und dem, was die Leute darin sehen wollen, eine Menge über die Widersprüche des Menschen an sich – über die Art und Weise, wie wir gemeinhin eben mit Realität umgehen.“

Die Galerie wolkenbank in Rostock stellt Heiko Krause in einer Personalausstellung mit vorwiegend farbigen Arbeiten vor.

April 2013

 

pfeil

 

 

 

 

Mince pies #3 „archer“ | Künstler und Gäste der Galerie
01. Dezember 2012 bis 12. Januar 2013

Tino Bittner, Wolfgang Müller, Ulrike Mundt, Christoph Rodde, Lucia Schoop
und Tanja Zimmermann | kuratiert von Claudia Wanda Reichardt

Mince_pies_#3_001

Foto © Thomas Häntzschel | nordlicht

Neue Gruppenausstellung in der Galerie wolkenbank

Die Galerie wolkenbank feiert ihren dritten Geburtstag mit der Gruppenausstellung Mince pies #3 „archer“

Die Dresdner Kuratorin Claudia Wanda Reichardt hat für die diesjährige Mince pies Ausstellung in der Rostocker Galerie wolkenbank Ulrike Mundt, Lucia Schoop und Tanja Zimmermann sowie Tino Bittner, Wolfgang Müller und Christoph Rodde eingeladen. In diesem Jahr beschäftigen sich die Künstler mit dem Rostocker Pfeilstorch, zu sehen im Schaumagazin des Zoologischen Instituts der Universität. Die Geschichte dieses namenlos gebliebenen Weißstorchs hat ihn über die Landesgrenzen hinaus bekannt gemacht. Im Frühsommer 1822 nahe Schloss Bothmer mit einem Pfeil im Halse entdeckt und offenbar sofort erlegt, nahmen sich seiner die Präparatoren der Residenz zu Ludwigslust an. Großherzog Friedrich Franz übergab den Storch noch im selben Jahr der Universität Rostock. Bei der Untersuchung des Pfeils ließ sich dessen afrikanische Herkunft zweifelsfrei bestimmen, was für die Vogelkundler dieser Zeit eine neue und völlig überraschende Nachricht war. Bis dahin glaubte man, die Störche überwintern im Sumpf oder gar, sie verwandeln sich in Mäuse.

In der Ausstellung Mince pies #3 „archer“ werden die beteiligten Künstler sich auf ihre Weise auf eine Forschungsreise begeben. Tino Bittner aus Schwerin installiert nach dem Einschuss erschlaffende Pfeile in bunten Zielscheiben. Wolfgang Müller aus Berlin, ein Initiator der berühmten Berliner Künstlergruppe „Tödliche Doris“, zeichnet und vertont ausgestorbene Vogelarten. Ulrike Mundt, vertreten durch Susanne Burmester Galerie Bergen auf der Insel Rügen und Christoph Rodde, Mitglied der Galerie AG für zeitgenössische Kunst in Schwerin, haben jeweils für die Ausstellung eine spezielle Vogel-Installation entwickelt. Lucia Schoop schneidet in ihrer Druckwerkstatt in der Trittauer Wassermühle tödliche Drohnenvögel ins Linoleum und Tanja Zimmermann, aus dem mecklenburgischen Klein Warin, collagiert den Storch auf seinen geheimen Flugrouten.

Ausstellungseröffnung Samstag, 01. Dezember 2012 zwischen 14 und 19 Uhr
Ausstellung 01. Dezember 2012 bis zum 12. Januar 2013
Öffnungszeiten Mittwoch bis Samstag 14 – 19 Uhr + nach Vereinbarung
An den Feiertagen bleibt die Galerie geschlossen.

Pressemitteilung November 2012

 

pfeil

 

 

 

Cindy Schmiedichen | bis ins Weite
21. Oktober bis 24. November 2012

CindySCHMIEDICHEN@wolkenbank_portrait

Foto © Thomas Häntzschel | nordlicht

 

pfeil

 

 

 

Plüschow Lounge | Investment
Künstler der Galerie | Lennart Alves, Juliane Laitzsch, Holger Lippmann,
Sonja Rolfs, Iris Thürmer, Ruzica Zajec und Tanja Zimmermann und
Porträtfotos von Thomas Häntzschel

ab 26. Oktober 2012

PlueschowLoungeINVESTMENT

Besucherin der Ausstellung vor den Arbeiten von Iris Thürmer
Foto © Thomas Häntzschel | nordlicht

 

pfeil

 

 

 

Rin Terada | sichtbares – verborgenes
03. September bis 06. Oktober 2012

Foto © Thomas Häntzschel | nordlicht

DOWNLOAD Artikel sichtbares – verborgenes

 

pfeil

 

 

 

Stefan Nestler | Travelling Wave
21. Juli bis 25. August 2012

Galerie wolkenbank_Ausstellung Stefan Nestler | Travelling Wave

Foto © Thomas Häntzschel | nordlicht

Stefan Nestler zeigt Arbeiten mit Hanse-Sail-Hintergrund in der Galerie wolkenbank

Rostock. Maritimer geht es kaum: lange geschwungene Wellen ziehen sich schräg über eine komplette Wand der Galerie Wolkenbank. Auf der Ostsee mag es in den vergangenen Wochen etwas turbulenter zugegangen sein, aber wenn die Sonne scheint und sich das Meer beruhigt, dann ist die Dünung leicht und ebenmäßig – so wie an der Wand der Rostocker Galerie.

Doch dem aus Freiberg stammenden Künstler Stefan Nestler ist es nicht um die Darstellung von Ostseewellen bestellt: Seine Installation, die eigens für die Rostocker Ausstellung entstand, besteht aus Zollstöcken. Ein Ausgangsmaterial, das Nestler schon lange fasziniert habe. „Ein spannendes Material“, sagt Nestler. Einerseits ein alltäglicher Gegenstand, andererseits ein Mittel, um Entfernungen zu bestimmen und so den Raum zu bezwingen, allerdings auf unzuverlässige Weise, wenn die Zollstöcke gebogen werden. Schließlich sind sie durch die bunt bedruckten Seiten auch ein grafische Elemente: das perfekte Objekt zur Vermessung der Kunstwelt.

Jedes Jahr gestaltet die Galerie Wolkenbank eine Ausstellung, die den maritimen Charakter der Hanse Sail im August aufnimmt und kreativ weiterentwickelt. Stefan Nestler nahm sich des Reise-Gedankens an, der Sehnsucht nach Ferne und Weite, wie ihn grade das Meer, Segelschiffe und andere Wasserfahrzeuge transportieren. „Travelling Wave“ – Reisewelle oder reisende Welle – heißen seine Zollstockinstallation und die ganze Ausstellung. Denn auch die anderen Werke nehmen das Reisethema auf: Verwendet werden Fundstücke, die Nestler auf ausgedehnten Reisen zusammensuchte. Das Material wird zerschnitten oder gerissen und collagiert – zum Beispiel auf Leinwänden. Stefan Nestler ist ein Reisender, der den Zufall moderiert und gestaltet.
Dabei dominieren dann vertikale und horizontale Strukturen. Das exotische Ausgangsmaterial – eine Zeitung in Mandarin, ein asiatischer Abreißkalender – bleibt in den vielschichtigen Arbeiten dennoch erkennbar. Weil sich diese Arbeiten auch in den Raum hineinbewegen, greift die Genrebezeichnung „Malerei“ zu kurz. Nestlers Collagen sind genauso gut Objekte. In diesen Arbeiten gehen Horizontlinien in Serie, es regiert Fernweh, das nur durch die Akkuratesse der Gestaltung gezähmt wird. Matthias Schümann, Ostseezeitung 25. Juli 2011

Während der Laufzeit der Ausstellung ist der Künstler anwesend.

 

pfeil

 

 

 

 

Iris Thürmer | systems
09. Juni bis 14. Juli 2012

Foto © Thomas Häntzschel | nordlicht

Iris Thürmer zeigt in Rostock aktuelle Zeichnungen und Malerei

Eine horizontale Linie durchzieht unsichtbar den Raum. Ober- und unterhalb sind die Arbeiten angeordnet: Wie die Hochs und Tiefs einer Börsenkurve, die Ausschläge eines Kardiogramms. Und beides findet sich wieder in dieser Ausstellung der Malerin Iris Thürmer. „systems“ heißt die Schau, die am Wochenende in der Rostocker Galerie „wolkenbank kunst+räume“ eröffnet wurde. Zu sehen sind mittelformatige Zeichnungen und kleinformatige Pigmentmalerei auf Baumwolle. Nahezu monochrome Arbeiten, in denen sich Farben überlappen und durchdringen, Experimente für die Wahrnehmung, an deren Rändern die Farbschichten wieder sichtbar werden.

Im Mittelpunkt der aktuellen Ausstellung stehen aber zweifellos die Zeichnungen. Diese bestechen durch ihre Schlichtheit und durch ihre Komplexität gleichermaßen. Sehr kurze, punktgleiche Linien werden von anderen, längeren, andersfarbigen Linien durchkreuzt, begleitet und überlagert. Iris Thürmer verwendete für diese Arbeiten eine Schablone. Strich um Strich setzte sie als grundlegendes Handwerkszeug des Zeichnens Linien auf den Grund. Bei der Arbeit drehte sie das Blatt immer wieder, bis die Linien im Verhältnis zueinander ein Eigenleben entwickeln. Genial an dieser Technik ist, dass sich die Künstlerin zwar ans Gängelband einer starren Vorlage legen lässt, das Ergebnis aber unbestimmbar bleibt. „Ich möchte nicht gestalten“, sagt Iris Thürmer. Sie nimmt nicht das fertige Bild vorweg, sondern zeichnet mit System, bei dem am Ende doch der Zufall zumindest mitregiert.

„Ich will zeichnend die Welt erkunden“, sagt die Künstlerin. Denn das System, dem sie sich unterwirft, ist keine formale Spielerei. „Das Spannungsfeld zwischen starren Regeln und den Zufälligkeiten der konkreten Ausführung hat etwas von der Schwierigkeit, die Welt zu erklären“, sagt sie. Iris Thürmer, geboren 1962, studierte Malerei in Leipzig bei Bernhard Heisig, sie lebt und arbeitet in dem Örtchen Wolthof bei Grimmen. Man kann ihre neuen Zeichnungen mit Bauplänen vergleichen, die immer wiederkehrende Strukturen und Muster offenbaren. Entscheidend an diesen Bauplänen für eine Kunst des Zufalls ist ihre sinnliche Erfahrbarkeit. Und wofür sie auch Anleitung sein mögen – zu Leben werden sie im Kopf des Betrachters erweckt.

Matthias Schümann, Ostseezeitung 11. Juni 2011

pfeil

 

 

 

 

Sabine Herrmann | ART for a non-human
05. Mai bis 02. Juni 2012

Foto © Thomas Häntzschel | nordlicht

Vorab: die Künstlerin Sabine Herrmann kann ich ihnen heute nicht vorstellen, eine französiche Kunstsammlerin hat sie dieses Wochenende nach Paris entführt. Aber: in zwei Wochen werden wir, zusammen mit der Künstlerin, zur Midissage laden. Eine Veranstaltung hier in der Galerie zum Thema Bildende Kunst und Musik.

Liebe Kunstfreunde,

vielleicht etwa ungewöhnlich, am Anfang ein berührender Text für einen Musiker. Künstlerische Intensität, Kompromisslosigkeit, der Weg einer Malerin gleicht dem Weg eines Musikers. Der schmale Grad auf dem sich hohe Kunst zwischen den Wolken bewegt, ein Steinchen am Weg entscheidet den Moment des Gewinnens oder Verlierens. Im Atelieralltag ist ein Bild so schnell verloren.

Der Autor Paul Stoop schreibt im Tagesspiegel vom 21.01.2011: „Gerd Lünenbürger. Blockflöte! Ein Instrument für Kinder, Lehrerinnen, Greisenzirkel – in den Händen eines aus- und hochgewachsenen, vielseitig talentierten, hochgebildeten Mannes. Er hätte auch Klavier als sein Lebensinstrument wählen können, das seine Mutter auf hohem Niveau spielte, oder die Schauspielerei, mit der er lange liebäugelte. Aber Gerd Lünenbürger entschied sich früh für die Blockflöte und blieb dabei.

Gerd Lünenbürgers Weg führt von Wien nach Berlin, wo er 1991 Professor für Blockflöte an der Hochschule der Künste wird. Sein Interesse gilt der zeitgenössischen wie der alten Musik, die er mit einem tiefen Verständnis für die historische Aufführungspraxis spielt und lehrt. In etlichen Städten Europas bietet er Meisterkurse an. Komponisten schreiben Stücke für ihn.

Gerd Lünenbürgers Konzerte sind ebenso selten wie unvergesslich. Der hohe Anspruch, das Lampenfieber, die unerbittliche Konzentration auf das große Ganze wie auf das Kleinste, Subtilste machen ihm die Auftritte schwer. Nichts macht er mit halbem Herzen, bei einer CD-Produktion mit zeitgenössischer Musik macht er alles selbst: Musik, Texte, Fotos. Es dauert Jahre voller Unruhe, aber heraus kommt ein Juwel.

Anfang 2010 die Diagnose ALS: Hände, Beine, Stimme, schließlich die Atmung… Es ist das Ende der Musik, das Ende der physischen Selbstbestimmung. Hirn und Geist bleiben klar.

Da Gerd Lünenbürger sich gegen Luftröhrenschnitt und Magensonde entschieden hat, wird der Flug in die Schweiz gebucht. Dort hilft die Organisation „EX International“ Menschen, die über ihr Ende selbst bestimmen wollen. Freunde sind bei ihm, als er das todbringende Gift zu sich nimmt…“ (der Text ist gekürzt)

Sabine Herrmann hat 2006 ein gemeinsames Projekt mit dem Musiker Gerd Lünenbürger verwirklicht. In der Galerie im Prater in Berlin wurden unter dem Titel „schwarz | monodie“ große schwarz-weiße Zeichnungen von Sabine Herrmann gezeigt. Begleitet von Martin Supper mit einer Klanginstallation hatte Gerd Lünenbürger die einzelnen Bilder der Künstlerin bespielt. Vor jedes einzelne Bild wurden die Galeriestühle aufgestellt, die Besucher nahmen Platz und der Musiker interpretierte mit seiner Blockflöte die Zeichnung.

Diese Intensivität passt genau zur Arbeitsweise von Sabine Herrmann, keine Kompromisse, große Aufregung, erstaunliche Intensivität!

Sabine Herrmann, 1961 geboren, lebt und arbeitet heute in Berlin. Nach dem Grundlagenstudium 1981 an der HfBK Dresden studierte sie 1981 bis 86 Malerei an der Kunsthochschule Berlin. Die Künstlerin ist in Mecklenburg-Vorpommern keine Unbekannte mehr, sie stand im letzten Jahr auf der Künstlerliste der sehr erfolgreichen Ahrenshooper Kunstauktion, nahm 2011 an der Ausstellung zum 25. Schönberger Musiksommer teil und hat ihre Arbeiten in Ahrenshoop bereits im Kunstkaten und im Künstlerhaus Lukas gezeigt.

In der Galerie wolkenbank zeigen wir die Serie „ART for a non-human“, die Inspiration eines eigenen Künstlervideos, auf Papierbögen übertragen.

Art for a non-human ist ein Projekt, das der New Yorker Dichter Robert Fitterman 2006 initiiert hat. Die Idee war, dass Künstler über übliche Gattungsgrenzen hinweg gemeinsam an bestimmten Aufgabenstellungen arbeiten, die je ein Künstler der Gruppe aufgibt. 2011 hat Sabine Herrmann, eingeladen für das „collective task“ Projekt, die Idee einer Abfolge monotoner Handlungen entwickelt. Die Künstlerin hat ein Video als Kunstwerk für einen Nicht-Menschen produziert, Spielzeugkreisel werden in Bewegung gebracht, in schneller Bewegung drehen sie sich bis sie schließlich umfallen. Die grundsätzlichen Fragen des Kunst-machens, die ständig anwesende Gefahr des Scheiterns, die Vergeblichkeit der Anstrengungen möchte die Künstlerin mit ihrer Arbeit thematisieren.

Sabine Herrmanns Videoarbeit „ART for a non-human“ wurde gerade im MoMA in New York vorgestellt. Ich freue mich natürlich sehr, ihnen hier in Rostock die Arbeiten heute präsentieren zu können. Versinken Sie im Blau, im Grau, spüren sie den Rhythmus, genießen sie die Kreiselbewegung, die Stille.

Galerie wolkenbank, Eröffnungsrede Einführung in die Ausstellung, Mai 2012

Midissage Freitag, 18. Mai 2012
„hearing and seeing the paintings“

Mikael Eriksson stellt seinen Film vor | Foto © Klaus Killisch

Künstlerfilme von Sabine Herrmann, Klaus Killisch und Mikael Eriksson
>>> mehr Informationen

 

pfeil

 

 

Udo Rathke | deluge
25. März bis 28. April 2012


Foto © Thomas Häntzschel | nordlicht

Nichts für Eilige: wolkenbank zeigt Künstler der Rostocker Galerie und Gäste.

Die Galerie wolkenbank zeigt aktuelle Arbeiten von Udo Rathke
Schaut der Künstler Udo Rathke aus seinem Atelierfenster in Plüschow kann er an manchen Abenden eine apokalyptisch anmutende Farbenpracht bestaunen. Seit vielen Jahren beschäftigt sich der Künstler schon mit diesen wilden Farben und Wolkenformationen. Im letzten Jahr zeigte er in der Rostocker Kunsthalle neben seinen raumfüllenden Videoinstallationen auch kleinformatige Zeichnungen, vielleicht Inspirationen seiner Beobachtungen des Mecklenburger Himmels.
Udo Rathkes aktuelle, jetzt in der Galerie wolkenbank gezeigte Zeichnungsserie „deluge“ umkreist ein uraltes Thema in Kunst und Literatur: Sintflut, Weltuntergang, Inferno. Diese Themen fanden zu allen Zeiten ihren bildhaften Ausdruck meist in opulenten und großformatigen Werken. Udo Rathkes Besuch der Werkschau des englischen Romantikers John Martin in der London Tate Galerie in diesem Jahr war der konkrete Auslöser zu dieser neuen Serie. Die großen Disaster der biblischen Geschichte, Dramatik apokalyptischer Szenarien in den Farben Rot und Schwarz. Bei Udo Rathke scheinen diese Farben allerdings mehr Comic-Zeichnungen entnommen als ein Widerhall romantischer Gemälde zu sein. Insofern schwingt hier, in einer zweiten Ebene zumindest, ein ironischer Unterton mit.
Die Zeichnungen „deluge“ können auch als „Studien zu deluge“ betitelt werden – auch wenn sie formal in sich stimmige Einzelblätter sind, sind es doch mehr Notizen als imperative Aussagen. Das größtenteils kleine Papierformat und die „schnellen“ Werkzeuge wie Filzstift oder Spraydose unterstreichen das Notathafte dieser Arbeiten. Der Strich ist schnell und erinnert oft an das Schreiben, wobei vom Schreiben nur eine flüchtige kursive skripturale Geste übrig bleibt. Er ist die sichtbare Spur einer Aktion.
Udo Rathke hat die Zeichnungen im Zusammenspiel mit einer mehrteiligen Videoarbeit entwickelt, analoge und digitale Fragmente bedingen und ergänzen sich. Das in der Ausstellung gezeigte moving painting „Red Water“ sowie eine Reihe von Digitalprints auf Papier sind Bestandteile eines „work in progress“ Arbeitsprozesses.
Es findet sich keine Spur vom abendlichen apokalyptischen Farbentheater schaut Udo Rathke am nächsten Morgen aus seinem Atelierfenster: hellblauer Himmel, grüne Wiesen. Nur der schwarze Kater hat einen roten Vogel in seinen Krallen.

Galerie wolkenbank, Pressemeldung März 2012

 

pfeil

 

 

 

 

 

Mince pies #2 | Künstler + Gäste der Galerie
11. Dezember 2011 bis 14. Januar 2012

Iris Thürmer, Holger Lippmann, Victor Kégli, Thomas Sander, Natascha Pötz,
Michael Soltau, Claudia Kapellusch, Mike Strauch, Gottfried Müller

Foto © Thomas Hätzschel | nordlicht

Nichts für Eilige: wolkenbank zeigt Künstler der Rostocker Galerie und Gäste.

Rostock – Kunst und Kontemplation haben nicht ganz umsonst den selben Anfangsbuchstaben: Wer eiligen Schrittes an der Kunst vorbeiläuft, nimmt allenfalls Material wahr und bleibt unempfänglich für den großartigen Reflexionsraum, den Kunstwerke dem Betrachter bieten. So ist es durchaus doppelbödig, wenn Galerist Holger Stark die aktuelle Gruppenausstellung mit dem Sammeltitel „Mince Pies #2“ in seiner Galerie wolkenbank kunst+räume unter das Motto „Sehr in Eile sein“ stellt. Denn keine Zeit zu haben, betrifft ja Künstler ebenso wie Betrachter.

Das Ergebnis der launigen Themenvorgabe ist erstaunlich – und nun in der Rostocker Galerie wolkenbank zu sehen. Ein Künstler wie Gottfried Müller griff die Vorgabe brachial-ironisch auf und schickte den rasch hingekritzelten Entwurf eines Kunstwerks nebst Brief mit Entschuldigung, die Realisierung aus Zeitmangel nicht angegangen zu sein. Größer könnte die Fallhöhe kaum sein: Am anderen Ende des Raumes verlangt die Installation „polar oder die unvollständige geschichte der unverfolgbarkeit der zeit“ von Claudia Kapellusch den Besuchern Einiges ab. An der Wand eine abstrakte Zeichnung, in Acrylglas gegossen, davor ein großer transparenter Kunststoffball. Der Handzettel liefert zudem eine historische Hintergrundgeschichte von einer Nordpolexpedition per Ballon, die einen interessanten Denkanstoß liefert, der aber beim Entschlüsseln der Installation kaum weiterhilft. Thema sei ein gewisser „Irrsinn“ der Welt, so die Künstlerin. Ein Mix aus Überproduktivität, Fortschrittshörigkeit und – Eile. Das Schattenhafte der gezeichneten Form korrespondiert mit der Aufgeblasenheit des Gummiballs, der als Pendant eines Weltbilds ebenso taugt wie als Kugel, in die Clowns schlüpfen. Unmöglich, dies auf die Schnelle zu assoziieren.

Mit den anderen Werken verhält es sich ähnlich. Natascha Pötz türmt ein feingezeichnetes Gebirgsmassiv auf, um es im zweiten Bild von einer Eisenbahnlinie zu durchschneiden. Iris Thürmer erkundet im Gemälde eine „Nachtfahrt“, während der aus horizontalen grün-gelben Streifen immer wieder Nachtschwärze durchbricht wie das Grauen en passant. Michael Soltau zeigt in einer Fotografie den Schnappschuss einerAutobahn, nahe Abfahrt Pasewalk, wo nach Wolkenguss der Wagen vor ihm vom plötzlichen Sonnenstrahl förmlich aufgelöst wird – quasi als göttlicher Fingerzeig.

Mit dem Finger Gottes befasst sich auch Thomas Sander im wohl ironischsten Werk derAusstellung. In „No Connection“ begegnen sich auf kleinem Bildschirm Gottes und Adams Hand aus dem berühmten Gemälde „Die Erschaffung Adams“. Die Hände kommen zueinander – aber sie berühren sich nicht, ein permanentes Flattern der Finger sorgt dafür, dass der Funke nicht überspringt.

Weit ruhiger sind aktuelle Landschaften von Mike Strauch, die immer wieder vorüberziehende Phantasie-Landschaften darstellen könnten. Eine Interpretation, die für Eilige taugt, die aber jenem, der vor den Bildern verharrt, über kurz oder lang zu einseitig wird.

Zum Stillstand gebrachte Video-Arbeiten von Holger Lippmann und ein Projekt von Viktor Kégli, bei dem ein Waldstück in Luxemburg von einer Bundeswehrbombe getroffen werden sollte, und das nicht realisiert werden konnte, weil die Zeit darüber hinweg ging, vervollständigen die Schau. Dass sie einen erheblichen Spaß-Faktor enthält, macht sie zudem völlig, pardon, zeitgemäß.

Matthias Schümann, Ostsee Zeitung, 13. Dezember 2011

 

pfeil

 

 

 

 

Natascha Pötz | Welt Reisen Album
Die Galerie Kvant aus Berlin zu Gast in der Galerie wolkenbank
28. November bis 03. Dezember 2011

© Natascha Pötz | Berlin Fountain

© Natascha Pötz | Welt Reisen Album | „Berlin Fountain“ Bleistift, Buntstift, Papier, 70 x 100 cm, 2010

 

pfeil

 

 

 

 

Janet Zeugner | Neuer Strom
Ausstellung 29. Oktober bis 26. November 2011

Foto © Thomas Häntzschel | nordlicht

In China schwarzer Stierkopf mit herausgestreckter roter Zunge

1910 besuchte Johann Albrecht Herzog zu Mecklenburg die Kolonie Tsingtau, damals Bestandteil der kurzen deutschen Kolonialgeschichte in China von 1897-1914. Bei diesem Besuch stiftete er der dortigen Christuskirche ein Glasfenster. Das Mecklenburger Wappen, der Schwarze Stierkopf mit herausgestreckter roter Zunge, silbernen Hörnern und goldener Krone war also auch in China angelangt.

Janet Zeugner hörte von dieser Geschichte, als sie 2010 ihren Beitrag für das Ausstellungsprojekt „SACRA“ in der Rostocker Universitätskirche vorbereitete. Ein zentrales Kirchenfenster in dieser Kirche war Vorlage für das herzogliche Geschenk in Tsingtau. „Was das für ein heiliger Ort in China sei, an dem sich dieses Duplikat befindet“ fragte sie sich damals. Als Künstlerin interessierte sie sich dafür „was dem Menschen heilig ist“ und „ob ein Vergleich zwischen beiden Orten möglich wäre“.

Ein Reisestipendium vom Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur Mecklenburg-Vorpommern ermöglichte der 1977 geborenen Künstlerin in diesem Jahr die erwünschte Studienreise in das Land der Mitte. 2007 hatte Janet Zeugner bereits China besucht und nun wollte sie auf ihrer Reiseroute Peking, Shanghai und Tsingtau die Veränderungen, den „Neuen Strom“ erkunden.

Die Künstlerin ist im Oktober nach Rostock zurückgekehrt und arbeitet in ihrer Dunkelkammer im Atelierhaus des ehemaligen Dieselmotorenwerkes. 1999 – 2006 hatte Janet Zeugner an der Hochschule in Heiligendamm und Wismar studiert. Ihre Diplomarbeit mit Schwerpunkt Experimentelle Fotografie betreute Professor Knut Wolfgang Maron, über dessen Arbeitsweise Joachim Skerl schreibt: „Der Fotograf … widersetzt sich der Verwahrlosung des Visuellen. Seine Bilder sind nicht Abbilder einer allzu vertrauten Realität, vielmehr werden sie zu Sinnbildern, sie erfordern die Wahrnehmungsschärfe der Sinne. Genaues Sehen läßt erst erkennen, in welchem Zusammenhang die Dinge stehen. Dazu muß sich der Betrachter mit seinen Erinnerungen und Phantasien in den Bildraum einbringen. Nur so vermag er die verschlüsselten Welten zu entdecken.“ Der kommunikative Arbeitsansatz von Janet Zeugner ist damit treffend beschrieben.

Janet Zeugner hat in den letzten Jahren eine eigenständige, experimentell mutige Arbeitsweise entwickelt. Ihre künstlerische Autonomie ist beachtenswert. Die schwarz/weißen Papierabzüge aus den Fotoschalen mit diversen Chemiezaubermixturen werden in der aktuellen Ausstellung mit einer Serie kleinformatiger farbiger Spurenbilder ihrer Chinareise vermischt. Die Veränderungen im bevölkerungsreichsten Land der Erde visualisiert die Künstlerin durch eine Serie von Momentaufnahmen. Die raffinierte Bildbearbeitung im Labor lässt ihre Bilder flüchtig erscheinen, das Alte löst sich auf. Eine spannende Reise, Janet Zeugner bringt uns mit ihren Farben gleichzeitig Geräusche und Düfte aus dem asiatischen Land in die Galerie.

Galerie wolkenbank, Oktober 2011

 

pfeil

 

 

 

 

Sonja Rolfs | Lichträume
Ausstellung 17. September bis 22. Oktober 2011
Zur Ausstellung: Frau Prof. Dr. Kornelia von Berswordt

Abbildung: Lichtinstallation | work in progress © Sonja Rolfs | 2011

 

Die Rostocker Künstlerin Sonja Rolfs zeigt geheimnisvolle Lichträume

Die Sonne versucht durch die großen Fenster und in das Atelier von Sonjas Rolfs zu gelangen. Große Pappen hinter den Scheiben filtern das Licht. Die Künstlerin hat kleine Löcher in die Platten geschnitten und beobachtet höchst konzentriert den Lichteinfall. Die Welt von „Außen“ vermag sich nur in winzigen Bildausschnitten Eintritt zu verschaffen.

 

Hier, inmitten der Rostocker Östlichen Altstadt, arbeitet die Künstlerin an ihren Lichtinstallationen, experimentiert mit verschiedenen Lichtquellen, farbigen Folien und fluoreszierenden Farben. Sie untersucht die Farbwirkung von Leuchtstoffröhren, bedeckt die Lichtquellen mit transparenten Papieren und versteckt die Leuchten geschickt in ihren „Lichtboxen“. Der Betrachter schaut auf einen einfach konstruierten Sperrholzkasten. Die dilettantisch anmutende Konstruktion der Kästen irritiert: krumm gebogene Nägel fungieren als Kabelschellen, Klebeband ersetzt einen Verschlussmechanismus, die verwendeten billigen Materialien aus den umliegenden Baumärkten werden nicht versteckt.

 

Der Zauber beginnt beim Hineinblicken in die Kästen. Das Sonnenlicht, Schatten- und Lichtspiele in feinsten Nuancen scheinen in den Boxen hyperrealistisch eigenen lichtphysikalischen Prozessen unterworfen zu sein. Verwundert schaut der Betrachter sich den simplen Sperrholzkasten an und versucht den vermeintlichen Zaubertrick zu ergründen.

 

Sonja Rolfs ist eine sehr ernsthaft arbeitende Künstlerin, billige Effekte und Oberflächlichkeiten sind ihr fremd. Die 1947 in Ahlbeck (bei Ueckermünde) geborene Künstlerin hat an der renommierten Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig bei Professor Dietrich Burger und Prof. Wolfgang Mattheuer studiert. Sie beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Phänomen Licht. Sonja Rolfs zeigt fotorealistisch wirkende Bildfragmente städtischer Bebauung, mystische Pflanzen und geheimnisvolle Lichtbilder in ihren Objekten. Die Bildebene bzw. Herkunft dieser „Einblicke“ bleiben in ihrer Arbeit stets dem Rezipienten verborgen. Ausstellungen hatte die Künstlerin bereits u.a. in der Kunstsammlung Schwerin, in den Kunstvereinen Ribnitz Damgarten, Loitz und im E-Werk Schwerin.

 

Nach dem verregneten Sommer in diesem Jahr darf man sich auf die Ausstellung der Zauberin des Lichts Sonja Rolfs in der Galerie wolkenbank freuen. Die Einführung wird Frau Prof. Dr. Kornelia von Berswordt geben.

 

pfeil

 

 

 

 

Lucia Schoop | Zu Wasser und zu Lande
Ausstellung/exhibition 07. August bis/to 10. September 2011

Ateliersituation Lucia Schoop

Lucia Schoop ist in der Galerie wolkenbank „Zu Wasser und zu Lande“ unterwegs

Rostock. Der Kunst steht es zu, Dinge zusammenzufügen, die scheinbar nicht zueinander gehören. Aus der Irritation des Blicks erwächst die Erkenntnis, dass die gewohnte Perspektive nur eine von vielen sein mag. Zumindest aber vermag sie vergessene oder verdrängte Zusammenhänge aufzudecken.
Lucia Schoop ist eine Spezialistin im ästhetischen Aufdecken von Ungereimtheiten. Vor Jahren begeisterte sie zum Beispiel mit dem zum Holzschnitt verarbeiteten Satelliten-Bild, das für George Bush ein wesentlicher Aufhänger für den Irak-Krieg war. Ein großes Thema greift die Künstlerin auch jetzt in ihrer aktuellen Ausstellung in der Rostocker Galerie wolkenbank auf: Die Flüchtlingstragödien vor Lampedusa und die furchtbaren Nachrichten, die uns allwöchentlich von gekenterten Kähnen und verhungerten und ertrunkenen Menschen erreichen. Äußerlicher Anlass ist die Rostocker Hanse Sail, die am nächsten Wochenende wieder Millionen Menschen in die Hansestadt ziehen wird. Allein die Erwähnung von Hanse Sail und Lampedusa in einem Atemzug macht die Fallhöhe klar: Lustkähne mit Bier, Sekt und Häppchen auf der einen, rostige und überfüllte Motorboote auf der anderen Seite. Dabei geht es Lucia Schoop nicht vordergründig darum, mit moralischem Zeigefinger die Spaßbremse zu betätigen. Vielmehr lässt sie in ihren Bildern die so unterschiedlichen Welten aufeinanderprallen, ineinander aufgehen, durchsetzt von Farben. Und sie lädt ein, dieses Verschmelzen auf der Bildfläche nachzuvollziehen. Ausgangspunkt sind vorgefundene Bilder. „Ich recherchiere sehr lange zu einem Thema, bevor ich mit den Bildern anfange“, sagt die Künstlerin, die derzeit in Trittau in Schleswig-Holstein in einem Gastatelier arbeitet.
Die Bilder – die Besatzung eines Flüchtlingsboots, die Crew eines Hochseeseglers, gemalte Schlauchboote – überträgt sie auf Platten, die Bilder entstehen dann im Hochdruckverfahren. Holz- und Linolschnitt sorgen für Unschärfen, mehrfarbige Platten erzeugen eine Art Phasenverschiebung, die die Motive unklar und dadurch allgemeingültig macht. So tritt zur Regatta die Assoziation Flucht, das „knallrote Gummiboot“ wird zum lebensrettenden Gefährt, und aus der beeindruckenden Fliegerstaffel oben am Himmel könnten genauso gut, wer weiß, auch Bomben fallen.
So nimmt Lucia Schoop auf subtile Weise den Kontakt zur aktuellen Umgebung und unmittelbaren Gegenwart auf, und die gewissermaßen künstlerisch verlängerte Hanse Sail nimmt in der Ausstellung noch einmal richtig Fahrt auf – allerdings in eine ganz unerwartete Richtung. Denn Lucia Schoop, die Kunst und Kunstgeschichte in Hamburg und Greifswald studierte, belässt es nicht bei den Mittelmeerflüchtlingen, sondern bezieht Assoziationen von vietnamesischen Flüchtlingen und haitianischen Erdbebenopfern ein. Ihre Kunst erweist sich dabei als angemessenes Medium – jenseits von Voyeurismus, Boulevard und Heuchelei. Das Thema habe sie nicht mehr losgelassen, geradezu gehetzt habe sie sich daran abgearbeitet. „Vielleicht um es hinter mir zu lassen“, so die Künstlerin. Das wichtigste ist: Vorher hat sie sich ihm gestellt.

Matthias Schümann, Ostseezeitung 06. August 2011

 

Lucia Schoop „Zu Wasser und zu Lande“ in der Galerie wolkenbank

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich freue mich, hier in Rostock ein paar einleitende Worte zur Ausstellungseröffnung von Lucia Schoop sprechen zu dürfen. Seit 2004 verfolge ich das Schaffen der Künstlerin mit großem Interesse in den Gemeinschaftsausstellungen im Foyer des Greifswalder Theaters und in Ausstellungen im Pommerschen Landesmuseum. 2010 beteiligte sich Lucia Schoop ebenfalls in Greifswald an einer Gruppenausstellung, die anlässlich des 200. Todestages von Philipp Otto Runge stattfand. Gerade jetzt endete im Pommerschen Landesmuseum die Ausstellung „Papierne Schätze – Kostbarkeiten aus sechs Jahrhunderten“, wo neben ihren Arbeiten auch Werke von Dürer, Rembrandt, Barlach und anderen bedeutenden Künstlern zu sehen waren.

Beeindruckend für mich ist neben der Vielfalt Ihrer Themen in unterschiedlichsten künstlerischen Techniken die immense Anzahl von Vorarbeiten. Für diese Ausstellung mit dem maritimen Thema „Zu Wasser und zu Lande“ sind zahlreiche neue Druckgrafiken entstanden. Lucia Schoop konnte bei der Vorbereitung für die Ausstellung auf bereits vor sechs Jahren entstandene Arbeiten anknüpfen, die 2005 im Zusammenhang mit der Greifswalder Theateraufführung von Henrik Ibsens „Ellida – Die Frau am Meer“ entstanden waren. Damals nutzte sie ihre Beobachtungen der Meeresoberfläche, um durch die Wiedergabe der unterschiedlichen Farbigkeit und Bewegtheit des Wassers die Seelenverfassung der Hauptakteurin des Theaterstückes widerzuspiegeln. Die Suggestion von Bewegung und Dreidimensionalität erreichte Lucia Schoop damals durch den Kunstgriff, die ursprünglich in der Technik des Linolschnittes wiedergegebenen Ergebnisse der sorgsam studierten Farbabstufungen und Bewegungsabläufe des Meeres auf Plexiglas zu drucken und diese mit einem vorher berechneten Abstand an der Wand anzubringen. Durch die entstehende Schattenbildung der Motive und der Bewegung des Betrachters entstand eine dreidimensionale Lebendigkeit, der man sich nicht entziehen konnte.

Diese Lebendigkeit erreicht sie in der gegenwärtigen Ausstellung durch die Form der Collage. Ursprünglich ging sie dabei zunächst von einzelnen Fotos aus. Entspannung pur zeigt das Blatt „Auf der hohen Kante“ mit den von der Backbordseite lässig in der Luft baumelnden Füßen der Segelcrew. Chaos oder gefühltes Wirrwarr findet bei der Betrachtung der sportlichen Aktivitäten an Deck nur in den Augen unkundiger „Landratten“ statt. Die geübten Segler haben dagegen die Situation fest in Griff und irgendwann, zu abendlicher Stunde, wird der sichere Hafen angesteuerte.

In einer klaren Sprache, die sich auf wesentliche Formen beschränkt, verbildlicht Lucia Schoop ebenso die Faszination, die wir mit der Betrachtung des Meeres und des Himmels verbinden und fügt auch diese Bildlösungen nahtlos in den harmonischen Gesamteindruck der bis dahin verwendeten Einzelmotive ein. Diese Harmonie wird unterstützt durch neu entstehende Farbvarianten, die sie durch das Überdrucken und die collageartige Kombination einzelner Linolschnittplatten erreicht. Gesteigert wird diese Farbigkeit noch durch die zusätzliche Verwendung von darüber gelegten, bedruckten Transparentpapieren, welche wiederum neue Farbabmischungen ergeben.

Ihre Experimentierlust hindert Lucia Schoop nicht, die aus ehemaligen Studien gewonnene puristische Form von an Land wachsenden Pflanzen erneut zu drucken und uns zu suggerieren, es würde sich um Wasserpflanzen handeln. Nicht nur bei diesen Arbeiten gelingt es ihr zusammenhängende Bilder entstehen zu lassen, Flächiges und Filigranes miteinander zu vereinen. Durch das Übereinanderlegen und Überdrucken erzeugt sie nicht nur eine scheinbare Bewegung, sondern auch Tiefe. Es entsteht ein imaginärer Einblick in die geheimnisvolle und noch zu großen Teilen unbekannte Welt unter der Oberfläche des Wassers.

Um die verschiedenen Motive zu einer Komposition zu vereinen und gleichzeitig auch eine zufrieden stellende Farbigkeit in all ihren Abstufungen und Überlagerungen zu erreichen, arbeitet Lucia Schoop an mehreren Blättern gleichzeitig. Oft benötigt sie bis zu zwölf Druckgänge unter Verwendung verschiedener Druckstöcke, bevor eine Collage fertig gestellt ist.

Irgendwann, mitten in der ersten Arbeitsphase zum Thema „ Zu Wasser und zu Lande“, drangen die Nachrichten aus der Welt derart in die bisher von Harmonie geprägte Betrachtungen ein, dass die Künstlerin beschloss, den sportlichen Kampf der Segler mit den Elementen mit dem Kampf der Flüchtlinge um das Überleben zu verbinden. Fast täglich erhalten wir Nachrichten von Flüchtlingen, die in überfrachteten Booten ihr Heil in der Überquerung des Meeres suchen: völlig ermattete, ausgezehrte und halbverdurstete Menschen. Manchmal können sie nur tot geborgen werden, oft hat sie das Meer verschluckt. Das hoffnungsvoll angesteuerte Festland erweist sich, wenn sie doch das Land erreichen, nicht selten als abweisende Festung.

Nachdenklich, aufrüttelnd, aber nicht als Anklagende möchte sich die Künstlerin verstanden wissen. Schon 1994 hat Lucia Schoop in einem Holzschnittzyklus nach einer Reise in das ehemalige Königsberg das Thema Heimatlosigkeit, Flucht und Vertreibung thematisiert. Wenngleich sie sich, trotz der verarbeiteten politisch relevanter Zeitthemen, „eigentlich nicht als politische Künstlerin“ sieht, wie sie in einem Interview bekannte. Der Künstlerin gelingt es auf höchstem drucktechnischem Niveau unterschiedliche Motive und mehrere Bildebenen miteinander verschmelzen zu lassen und dabei, ohne zu agitieren und auf die ästhetische Schönheit zu verzichten, auf gesellschaftliche Problemstellungen aufmerksam zu machen.

Mario Scarabis, Samstag, 6. August 2011 (Text gekürzt)

 

pfeil

 

 

 

 

Tanja Zimmermann | Seid ihr alle da ??!
Ausstellung/exhibition 18. Juni bis/to 30. Juli 2011
Zur Ausstellung: Dr. Katrin Arietta

Farbkugeln © Tanja Zimmermann | Repro: Silke Paustian

Liebe Gäste, nett, dass ich hier sprechen darf und irgendwie erstaunlich, dass immer wieder Menschen bereit sind, im Angesicht von Kunst doch eigentlich unkünstlerische Worte anzuhören. Ich möchte diese Worte auf keinen Fall als „Einführung“ verstanden wissen, lediglich vielleicht als eine Anregung zum Reflektieren – die doch im Wesentlichen von der Kunst selbst ausgehen sollte und auch ausgeht. Denn das ist es hauptsächlich, wozu wir Kunst brauchen. Und ich verstehe die Situation in der Galerie wolkenbank in diesem Sinne als Oase. So fungiere ich hier gern als „Vorsängerin“ in dem kurzen Ritual des „Kunstbesingens“, das offensichtlich doch immer wieder etwas Einstimmendes zu bewirken vermag, selbst wenn die Worte manchmal auch daneben gehen.

Es ist eine Frage für sich, darüber nachzudenken, warum wir so an Ritualen hängen. Auch wenn hier nicht der Ort ist, sie aufzuwerfen, sind wir mit dem Gedanken daran schon nahe bei Tanja Zimmermann und dem Thema, das sie bewegt. Wenn es in ihren aktuellen Arbeiten um Puppen geht, dann ist das freilich nur der äußere Aufhänger für eine Phase der Formsuche und Formbewältigung, die sie seit einem Jahr parallel zu einer Tätigkeit in der kunstpädagogischen Ausbildung erfährt und durchsteht. Das Thema Grundschulpädagogik veranlasst sie, systematischer als bisher über kindliche Spielstrategien in ihrem Verhältnis zur eigenen Professionalität nachzudenken: Spielstrategien, die ja impulsive und primäre Gestaltungen hervorrufen, die kraftvoll sind, die etwas unbedingt Behauptendes haben, das die Welt auf die Probe stellt. Puppen werden gemeinhin als Stellvertreter in alle möglichen Situationen vorgeschickt, wo Konventionen und Rituale der Erwachsenen noch Theater sind – so lange, bis die Spieler sie aufgesogen haben und als lebendige Menschen die Rollen der Puppen einnehmen, meistens im Triumph, wie man eine Festung einnimmt, bevor man sich darin verschanzt. Von den damit verbundenen Verlusten machen sich nur Wenige eine Vorstellung. Viele dieser Wenigen sind Künstler. Wir alle wissen um die Affinität der Moderne zur Kunst der sog. „Primitiven“, der sog. „Geisteskranken“ und Straßenkinder. Wir kennen die Beispiele aus dem Expressionismus und Kubismus, der „art brut“ der Nachkriegszeit, der Bewegung der „Neuen Wilden“ usw.

Tanja Zimmermann ist mit alldem nur schwer in Verbindung zu bringen – nicht nur, weil ihre Kunst überwiegend leise daherkommt. Zwar lässt sich denken, dass dieser Teil europäischer Kunstgeschichte ihr näher steht als anderes, indessen ist sie längst bei einer eigenen Sprache angelangt, die sich auch auf Zeitgenössisches bezieht – denn einerseits sind Kinder und Kindheit ein allgemein virulentes Thema der Gegenwartskunst, andererseits gehört auch die Art, wie sie Bildmuster aus der Alltagskultur adaptiert und durch persönliche Intervention infrage stellt, dazu. Das klingt nach lautstarker Provokation, wie Tanja Zimmermann sie natürlich nicht im Auge hat. Man fragt sich aber doch, wie sehr so ein Vorgehen auch integrierend und vergeistigend sein kann.

Die Perspektive, die sie einnimmt, scheint eine konsequent nach innen gerichtete zu sein. Das heißt was sie von außen an Bildern und Bildfragmenten, teilweise auch aus eigener früherer Produktion, in ihre Gestaltungen einlässt, besitzt einen jenseits aller didaktischen oder agitatorischen Ambition liegenden Bezug zum Speicher ihrer wahrhaft eigenen Sinneserfahrungen. Vermutlich treibt ein drängendes Bedürfnis, in diesen Speicher eingelassen zu werden, sie zur Arbeit. Durchaus ein Bedürfnis nach Grenzüberschreitung wie wir sie aus den Märchen kennen, wo der Held oder die Heldin trotz Verbots eine bestimmte Tür öffnet und in der Sphäre dahinter ihr Schicksal findet. Manches deutet darauf hin, dass es sich bei Bildmotiven Tanja Zimmermanns um stark Vergrößertes handelt, das auf diese Weise deutlich gemacht werden soll: Wie durch ein Schlüsselloch gesehene Konstellationen, die sie quasi heranzoomt, um ihre Gestalt zu fassen. Indem das geschieht, verlieren sie an Dichte, an substanzieller Gegenwart, werden zart wie etwas Ätherisches. Es ist gleichsam ein Angehen gegen die Verflüchtigung von Gestalt im Moment ihres Gewahrwerdens, ein Kampf, dessen Mühe man sich vorstellen kann ohne dass sie in den Arbeiten sichtbar würde.

Die direkte, subtile, wie zögernde Arbeitsweise der Künstlerin entspricht dem ganz: ihre Vorliebe für flüssige, durchsichtige Farben, die Rückführbarkeit ihrer Gestaltungen auf die Zeichnung als primäre und spontanste Formnotiz. Die Intensität, mit der sie um eine zutreffende Form ringt, zeigt an, dass es um wissendes Wiedergewinnen geht, um das Aufdecken einer Sinnspur im sich verschließendn Terrain der Erinnerung. Ich möchte nicht sagen, dass Tanja Zimmermann darin im letzten Jahr tatsächlich eine neue Phase erreicht hat. Wichtig ist: Ihr sind neue, überzeugende Bilder gelungen.

Anlässlich der Ausstellungseröffnung in der Galerie wolkenbank am 17. Juni 2011 gesprochener Text von Dr. Katrin Arrieta, Kunsthistorikerin und Kuratorin

Rostock. „Seid ihr alle da??!““ lautet der anspielungsreiche und vielsagende Titel der aktuellen Ausstellung in der Galerie wolkenbank kunst+räume in Rostock. Zu sehen sind aktuelle Werke der Malerin Tanja Zimmermann, der es wieder einmal gelingt, mit ihren Arbeiten zu überraschen und im produktiven Sinne zu verstören. Der Titel rührt von Tanja Zimmermanns intensiver Beschäftigung mit dem Puppenspiel her, das sie als Dozentin in ihren Seminaren für Lehramtsstudenten der Universität Rostock thematisierte. Der Ruf des Kaspers – diese offensive Frage nach der Anwesenheit des Publikums – bekommt, geäußert von einer bildenden Künstlerin, eine ganz neue Dimension. Denn trotz des Überschwangs an Interpunktionszeichen dürfte der Ruf der Malerin weniger nassforsch, aber auch weniger anbiedernd ausfallen. Gleichwohl findet sich das Thema Puppenspiel in den ausgestellten Werken. Ganz vordergründig als reproduzierte und verarbeitete Bilder von Puppen oder Puppenteilen. Subtil als mit groben Stichen aufgenähte Silhouette oder als grünlichweiße Figur in Form eines Kopfes – eine Art Selbstporträt der Künstlerin. Überhaupt bietet die Ausstellung einen tiefen Einblick in die Gefühlslage Tanja Zimmermanns. Kürzlich richtete sie sich ihr Atelier in Rostock ein – und kehrte damit in ihre einstige Heimatstadt zurück. 1960 wurde Tanja Zimmermann in Pirna geboren und wuchs als Tochter des damaligen Chefs der Kunsthalle, Horst Zimmermann, an der Ostsee auf. Sie studierte Malerei bei Gerhard Kettner und Johannes Heisig in Dresden und siedelte sich nach Jahren in Berlin wieder im Mecklenburgischen nahe Wismar an. 2008 bekam sie den renommierten Kunstpreis der Mecklenburgischen Versicherungsgruppe. Die durch die Rückkehr in die alte Heimat wach gewordenen Erinnerungen, die fast zwangsläufige Selbstbefragung mündete in Bilder, die ganz neue Motivwelten offenbaren: Die des Karussells beispielsweise, oder des Zirkus. All dies findet sich natürlich in Tanja Zimmermanns eher abstrakten Bildern als Andeutung und Ahnung, als kreiselnde Form, als monströs vergrößerte Seite des Skizzenbuchs, als Linie und wie immer in starken Farben. Dominant ist bei Tanja Zimmermann seit einer Weile ein intensives Rot – nicht zuletzt Nachhall einer Japan-Reise, die die Künstlerin 2009 gemeinsam mit Kollegen unternahm. Neben der Introspektion fand auch das Thema Japan aus aktuellem Anlass Eingang in Zimmermanns Werke. Als Elemente, die sich ins Bild drängen, die Motive und Landschaften überlagern. Wie in jenem Selbstbildnis, in dem die Künstlerin sich als Puppe zwischen zwei Spiegeln darstellt. Der Spiegel in die Vergangenheit ist von Streifen durchzogen, der in die Zukunft noch weiß. Ein Fundstück mit japanischen Schriftzeichen schnürt der Puppe den Hals zu. Doch das ist Interpretationssache. Das Schöne an Tanja Zimmermanns Bildern ist, dass sie vollkommen offen sind, und dass sich der Betrachter hemmungslos öffnen können muss. „Seid ihr alle da ??!“ – die Frage richtet sich vor allem an die Sinne der Besucher. Denn sinnlich wollen diese Bilder erfahren werden, mit dem Gefühl eher erkundet als mit der Ratio. Und die Gefühlsmelodien, die diese Bilder auslösen, sind wahrhafte Ohrwürmer des Herzens.

Matthias Schümann Ostseezeitung, 18.Juni 2011

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit einem Text von Eckhart Gillen.

DOWNLOAD Katalog Tanja Zimmermann [pdf low res]

 

pfeil

 

 

 

 

Ruzica Zajec | Kleine Windstille
Ausstellung/exhibition 01. Mai bis/to 11. Juni 2011

Foto © Thomas Häntzschel | nordlicht

Ruzica Zajec ordnet filigrane Elemente, um für einen kurzen Augenblick den Zustand der Schwerelosigkeit zu erreichen. Bläst der Wind, verändert sich die Ordnung. Die Intension der Künstlerin, wie sie in einem Interview bemerkt, ist „der Versuch einen Traum wieder zu geben“. In Kroatien geboren, künstlerisch ausgebildet in Sarajevo und Hannover, lebt Ruzica Zajec heute im mecklenburgischen Kaarz. Im Atelier gehört Glas zu ihrem Lieblingsmaterial. Sie schneidet, schichtet und verklebt Glasscheiben, konstruiert aus Scherbenhaufen kristalline Formen. Die Künstlerin bemalt gläserne Flächen und kratzt die Farbschichten wieder von der Oberfläche. Zurück bleiben zarte Spuren, undefinierbare Farbschleier und tief gestaffelte räumliche Einblicke. Linien, parallel angeordnet, aus den Nichts kommend und am Bildrand verschwindend – ein weiteres Thema der Künstlerin. Ruzica Zajec: „Raumexperimente mit minimalen Mitteln. Wir können sie als Ausschnitte eines viel größeren Gebildes betrachten. ln dem Fall verschwinden die Linien ins Unendliche.“ Tatsächlich fehlt in vielen Arbeiten der Künstlerin die klassische Begrenzung, das Passepartout. Selbst wenn ein Rahmen ein Bild von Ruzica Zajec umrandet, hat er eher die Funktion einer Öffnung in einen neuen Raum. Wir dürfen uns vorstellen durch ein Fenster zu schauen, beispielsweise in der Serie „Chicago“. Der Betrachter befindet sich in der amerikanischen Metropole und betrachtet die gläsernen Fassaden der gegenüberliegenden Hochhäuser. Dabei überlagern sich die Bilder, wie im Überblendungsschnitt eines Filmes.

Holger Stark

 

Rostock. Es ist unglaublich hart, aber wenn man es zu Boden fallen lässt, zerspringt es in tausend Stücke: Glas dürfte zu den faszinierendsten Materialien gehören, weil es auf beeindruckende Weise Gegensätze vereint. Härte und Zerbrechlichkeit, Transparenz und gleichzeitig Undurchdringlichkeit. Wenn es in Mecklenburg-Vorpommern eine Künstlerin gibt, die sich mit dieser Ambiguität von Glas in endlos vielen Facetten auseinandersetzt, dann ist das Ruzica Zajec. Die aus Kroatien stammende Künstlerin lebt seit Ende der 90er Jahre in Kaarz. Bekannt wurde sie unter anderem mit ihrer originellen Kunst-Lotterie sowie mit beeindruckenden, teils großflächigen Installationen. Ihre aktuellen Glasarbeiten sind seit dem Wochenende in der Galerie wolkenbank kunst+räume in Rostock zu sehen. Das Ausstellungshaus setzt damit nach den Arbeiten des Brandenburgers Holger Lippmann ihre Vorstellung herausragender Positionen zeitgenössischer Kunst aus MV fort. Alle ausgestellten Arbeiten entstanden in den vergangenen Monaten, erzählt die Künstlerin. „Mit Glas kann man alles machen, es lässt alles zu“, sagt Ruzica Zajec. Für die meisten ihrer aktuellen Werke bediente sie sich oberflächlich betrachtet der Ästhetik der Malerei. Rechteckige Formate dominieren, und doch sind es keine Leinwände mit geometrisch akkuraten und abstrakten Motiven, die in der Ausstellung zu sehen sind. „Raum, Fläche, Farbe und Struktur sind das, was mich interessiert.“ Entsprechend sind Zajec’ Arbeiten eher Installationen als Gemälde. Vielfach arbeitet sie mit Glasplatten, die sie mit Acrylfarbe bemalt und anschließend Formen und Strukturen auskratzt. Diese mal kleineren, mal größeren Flächen geben wiederum den Blick frei auf den Hintergrund, auf dem sich, halb verdeckt, halb offen gelegt, eine weitere Malebene – oft eine Zeichnung – befindet. Das Aufeinanderwirken der verschiedenen Ebenen inklusive der Schattenwürfe sind Teil des Konzepts. Manche Ideen entstehen erst bei der Arbeit. Unlängst gastierte Ruzica Zajec als Stipendiatin des Kunstvereins Ahrenshoop in Vera Ohlssons Glaswerkstatt im schwedischen Simrishamn. Zunächst achtlos nebeneinander gestellte und zum Schmelzen bestimmte Glasplatten entwickelten eine Eigendynamik, die Zajec zu Werken inspirierten, in denen Farben und Strukturen durch die schmalen Rückseiten eng aneinander gelegter Glasplatten schimmern. Verblüffende Effekte, die den Werken Tiefe und eine eigene Plastizität verleihen. Das Kantige, Scharfe, teils Gefährliche büßt das Glas mit seinen zackigen Kanten dabei keineswegs ein. Es bleibt ein spröder Stoff. Das titelgebende Werk „Kleine Windstille“ etwa versammelt vorgeblich wahllos aneinandergestellte Glasplatten. Verbunden werden sie alle durch eine von Scheibe zu Scheibe fortlaufende Linie, die im Zufälligen die klare Struktur mit sozusagen gläserner Akkuratesse offenbart. Zufall und Genauigkeit, Exaktheit und Imagination – schließlich besteht auch die Kunst aus Gegensätzen, die am ende unverbrüchlich zueinander gehören.

 

Matthias Schümann, Ostseezeitung, 02. Mai 2011

Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen. Dieser ist in der Galerie oder auf Anfrage erhältlich.

DOWNLOAD Katalog Ruzica Zajec [pdf low res]

 

pfeil

 

 

 

 

Holger Lippmann | poetic justice & digital rights
Ausstellung/exhibition 13. März bis/to 23. April 2011

 

animation: „the spinners afternoon (7)“ (java applet)

[…] Processing, Random, Noise, Quellcode, Recursion, Vectoren, Generative Art, auf Deutsch: Generative Kunst. Was wir hier in der Ausstellung sehen, kann man technisch beschreiben oder mit dem Bauch erfahren. Farbpigmente im Mörser mit dem Stößel zerreiben, eine an der Oberfläche gekratzte Radierplatte im Säurebad versenken, mit dem Raspel am Gipsmodell die Oberfläche glätten oder das Fotopapier wässern – Kunst ist auch Handwerk. Der Künstler Holger Lippmann, versteht sein Handwerk meisterhaft. […] Seine Reduzierung entsteht aus einer unaufhörlichen Bewegung und Bildveränderung heraus. Er muss sich entscheiden, ähnlich wie der Filmkünstler am Schneideplatz, wann der perfekte Moment erreicht ist. Verpasst er den Moment, verliert das Bild Spannung und stirbt irgendwo im Universum am eigenen Wachstum. […]

Ausschnitt aus der Eröffnungsrede im März 2011 | Abbildungen © wolkenbank galerie: Ateliersituation Holger Lippmann und Aufnahmen aus der Galerie wolkenbank

Generative Malerei – Wolf Lieser [DAM]Berlin
Künstler haben immer wieder neue Wege beschritten, entweder um ihre Ideen umsetzen zu können oder auch erst mal nur des Experimentes wegen. Entsprechend nahe liegend war es auch bereits in den 1960er Jahren – nachdem die ersten Computer an Universitäten und großen Unternehmen zur Verfügung standen -, die ersten computergenerierten Plotterzeichnungen oder Animationen mit Hilfe dieses neuen Werkzeugs hervor zu bringen.
Heute ist ein Leben ohne Computer in unsere hochtechnisierten Welt nicht mehr vorstellbar und selbst Künstler, die primär mit traditionellen Medien wie Malerei oder Bildhauerei arbeiten, nutzen Computer für verschiedene Arbeitsschritte wie Entwürfe, Rendering oder Collagen.

Holger Lippmann bezeichnet einen Teil seines Werkes als digitale Malerei. Was unterscheidet die digitale Malerei von der traditionellen Malerei auf Leinwand oder Papier? Grundsätzlich würde ich innerhalb der digitalen Malerei noch eine weitere Differenzierung sehen: den Arbeiten, die am Computer mit Hilfe von vorgefertigten Graphik-Werkzeugen wie virtuellen Pinseln oder Stiften gemalte Bilder erstellt werden – wie es David Hockney kürzlich publikumswirksam vorgeführt hat , in dem er auf dem Ipad eine Sonnenblumenbild malte – und dem generativen Arbeiten mit dem Computer, wo mittels selbst geschriebener Programme ästhetische Konzepte als Bilder oder Animationen kontinuierlich Werke hervorgebracht werden. Jedes Ausführen der Software kreiert im Rahmen des vordefinierten Systems neue Bilder. Diesen Prozess kann man als generative Malerei beschreiben.

Die Konzentration eines Malers liegt bei einem Leinwandbild auf der Komposition und Farbgebung mit dem Ziel eines gelungenen Bildes, wie immer das auch für ihn definiert ist. Die Vorgehensweise bei Lippmann ist völlig anders: sein Werkzeug ist das selbst geschriebene Programm, welches eine Analyse oder bewusste Entwicklung von Charakteristika und Grundelementen voraussetzt. Aus dem Konzept und entsprechender Programmierung entsteht dann im Zusammenwirken all dieser Elemente ein organischer Ablauf, der fließend immer wieder neue Bilder (oder als deren Abfolge auch einen Film) entstehen lässt. Das Resultat ist also nicht ein Einzelbild sondern eine Serie. Hier liegt der entscheidende Unterschied zur althergebrachten Arbeitsweise mit dem Original.. Die Serie von Bildern besteht aus unterschiedlichen Einzelbildern, die normalerweise nicht identisch sind. Das Einzelbild existiert bei dieser Herangehensweise eigentlich nicht als autonomes Kunstwerk. Selbst wenn wir eincomputergeneriertes Bild betrachten, steht es für einen Bilderzyklus. Der Künstler wählt ein Bild aus einer Serie aus, welches dann, wie im Fall von Holger Lippmannn, als Computer-Print realisiert wird. Dies ist eine persönliche Entscheidung des Künstlers, denn jedes Bild des vordefinierten Programms ist analytisch betrachtet genauso gut wie das andere. Dennoch wird man feststellen, dass manche Einzelbilder erfolgreicher sind als andere. Doch das ist ein anderes Thema.

Holger Lippmann hat ein traditionelles Kunststudium der Bildhauerei abgeschlossen, bevor er sich dem Computer als Werkzeug zugewandt hat. Die Möglichkeit, sich nicht auf ein Medium fixieren zu müssen, ist hier durchaus ein Vorteil und macht sich in seinen Arbeiten auch immer wieder bemerkbar. Lippmanns Arbeiten bewegen sich zwischen abstrakten sogenannten „Visuals“ der Clubkultur, die oft mit computergenerierten Sounds verwoben sind, bis bin zu generativen Wiesen- oder Waldszenarien. Ihnen gemein ist jedoch ein hohes Maß an Abstraktion bis hin zum Minimalismus. Glücklicherweise jedoch nie ein “David Hockney”.

Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen. Dieser ist in der Galerie oder auf Anfrage erhältlich.

DOWNLOAD Katalog Holger Lipmmann [pdf low res]

 

pfeil

 

 

 

 

 

 

Mince pies #1
Ausstellung 18. Dezember 2010 bis 22. Januar 2011

Lennart Alves, Claudia Maria Ammann, Caroline le Breton, Tim Kellner, Barbara Kinzelbach, Juliane Laitzsch, Holger Lippmann, Stefan Nestler, Udo Rathke, Sonja Rolfs, Thomas Sander, Lucia Schoop, Iris Thürmer, Christin Wilcken, Ruzica Zajec, Janet Zeugner, Tanja Zimmermann

 

Blick von Außen in die Galerie | Links: Udo Rathke | Rechts: Caroline le Breton

Die Rostocker Galerie wolkenbank kunst+räume startete am 17. Dezember eine neue Ausstellungsreihe.
Mince pies #1
führt 17 internationale bildende Künstlerinnen und Künstler aus dem In- und Ausland in Rostock zusammen, um in einer Gruppenausstellung zum Jahresende das Spektrum zeitgenössischer Kunst auf humorvolle Weise auszuloten.

 

Links: Janet Zeugner | Rechts: Christin Wilcken

Der Titel Mince pies deutet auf den ironischen und humorvollen Charakter der Ausstellung hin. Den eingeladenen Künstlerinnen und Künstlern wurde als kreative Anregung die Farbe „Braun“ vorgeschlagen. Gefragt waren eine bis maximal drei kleinere oder mittlere Arbeiten – spaßig, verrückt, zauberhaft oder böse, je nach Geschmack des Künstlers. Alle Medien sind erlaubt. U.N.

 

Tim Kellner

Abbildungen © wolkenbank kunst+räume

 

pfeil

 

 

 

 

 

Iris Thürmer | 20 Arten zu vergessen
Ausstellung 30. Oktober bis 11. Dezember 2010

 

Leuchtendes Blau, undurchdringliches Braunrot, transparentes Weiß: In den Bildern von Iris Thürmer scheint alles offen da zu liegen. Und doch bergen ihre Bilder Geheimnisse. Da sind Schichten überdeckt, Buchstaben durchgestrichen. Die Ausstellung „20 Arten zu vergessen“ zeigt die Künstlerin an einem Punkt ihres Schaffens, an dem offenbar die expressive Geste des Durchstreichens und Auslöschens, mit der Iris Thürmer in den vergangenen Jahren auf sich aufmerksam gemacht hat, der Freude an hintergründigen Farbflächen weicht. Wer oder was wird vergessen? Ein eingefahrener Stil oder die gesamte bekannte Malerei? Vor allem muss man sich wohl als Betrachter von seinen Sehgewohnheiten verabschieden. Solche Bilder hat man schon lange nicht mehr gesehen. U.N.


Abbildungen/photographs © Thomas Häntzschel | nordlicht

Ein helles Blau, ein tiefes Rot: Leicht verdaulich waren die Bilder von Iris Thürmer nie. Bekannt wurde sie mit Leinwänden, auf denen die Malerin Schichten von Zeichen aufbaute und immer wieder auslöschte. Expressive Durchstreichungen in intensiven Farben. Die aktuelle Ausstellung von Arbeiten der bei Grimmen lebenden Künstlerin Iris Thürmer in der Rostocker Galerie „wolkenbank kunst+räume“ zeigt die Malerin in einer neuen Phase ihres Schaffens. Fort sind die Zeichen, die Kreuze und Punkte, die Schriftzeichen suggerierten. Sie sind gänzlich verborgen unter dicken, intensiven Farbschichten, die unter homogener Oberfläche immerhin noch die Bewegungen, die sie verdecken, erahnen lassen. Mitunter schimmert ein Stück Schrift hindurch. Tatsächlich schreibt die Künstlerin kaum noch. Die Ausstellung dominieren großformatige, luftig-leichte Leinwände. Auf erdbrauner Lehm-Grundierung entfalten sich helle Farbflächen, mit vehementer Geste und doch transparent auf den Malgrund aufgetragen, an den Rändern ausgefranst. Farbe und Untergrund sind gleichermaßen präsent, die Übermalung unvollständig. Man sieht: drunter ist nichts als Leinwand, ein paar Linien allenfalls. Reine Farbe, reiner Pinselstrich. „20 Arten zu vergessen“ lautet der hintergründige Titel der Ausstellung. Bezogen auf Iris Thürmers Werk liegt die Bedeutung offen zutage. Und für den Betrachter heißt das: Er muss vor den Bildern meditieren. Das Gestern vergessen, und das Morgen gleich mit. Iris Thürmer geht wieder zurück auf Null. Das funktioniert. Diese Bilder ziehen magisch an, obwohl oder gerade weil sie dem Auge so wenig Vertrautes bieten. Mehr als ein helles Blau oder ein tiefes Rot braucht man eben nicht.
Matthias Schümann, nicht veröffentlicht

 

pfeil

 

 

 

 

 

 

 

Juliane Laitzsch | rundherum
Ausstellung/exhibition 12. September bis/to 23. Oktober 2010

 

Wenn Juliane Laitzsch ihre Ausstellung ‚rundherum’ nennt, so wählt sie einen mehrdeutigen Begriff. ‚rundherum’ kann einen Zustand der absoluten Vollkommenheit und ebenso eine räumlichen Konstellation andeuten.
In den Arbeiten von Juliane Laitzsch manifestiert sich Vieldeutigkeit als Leitgedanke künstlerischer Gestaltung. Laitzschs Arbeiten beschäftigen sich mit dem Spannungsverhältnis zwischen Fläche und Raum; sie halten das Verhältnis zwischen konkretem Ansatz und Illusion in der Schwebe, erkunden die Beziehungen zwischen der künstlerischen Arbeit und ihrem Umfeld.

Grundbaustein von Juliane Laitzschs Zeichnungen sind die Muster mittelalterlicher Seidenstoffe. Der serielle Rapport der wiederkehrenden Sterne und Kreise ist Ausgangspunkt für weitere Ebenen von Mustern und Markierungen: Die serielle Ornamentstruktur wird etwa durch vibrierende, kleine weiße Punkte aufgelöst, die sich einem Sternenhimmel gleich auf dem Rapport ausbreiten; eingearbeitete Linienwucherungen und zarte, nebelartige Partien sorgen für zusätzliche wechselnde Form und Bezugsverhältnisse. Zudem formulieren die ausgeschnittenen Kreise ein weiteres ornamentales System.

Aus abstrakten Linienformationen und dem beständigen Rhythmus des ihnen zugrunde liegenden Rapports bilden sich poröse und gleichwohl kompakte Formationen, die geprägt sind vom Wechselspiel zwischen Vorne und Hinten, zwischen Materie und Leere und schließlich, ganz wesentlich, zwischen Ruhe und Bewegung. Der Ort, den die Zeichnungen vorstellen, ist ein virtueller Ort der Vorstellung, während die Löcher ihrerseits eine kaleidoskopartige Durchsicht auf das konkrete Dahinter erlauben und die gedanklichen Perspektiven durchkreuzen. Das Ge- und Bezeichnete wirkt insofern wie ein Relais zwischen imaginärem und realem Raum.
Juliane Laitzschs Zeichnungen entwickeln sich aus sich selbst heraus. Entsprechend des Mediums der Zeichnung nehmen sie ihren Ausgang in der Replikation, Duplikation und Mutation eines fiktiven Bildraumes und verschränken sich von dort unlösbar mit dem realen Raum. Umgekehrt resultieren Laitzschs Gestaltungsprozesse aus der Konstellation räumlicher Verhältnisse, aus der Befindlichkeit der Künstlerin gegenüber einem Ort, seinen Dimensionen, Wegstrecken und Proportionen.

Die Zeichnungen wie auch die räumlichen Objekte erzeugen permanente Ambivalenzen, die sich entladen, indem Imagination, Werk und umgebender Raum immer wieder von einer anderen Ebene aufeinander schauen oder auf diese Ebene fliehen können. Und erst in jenem Zustand der betrachtenden Selbstvergessenheit, der sich von starren Definitionen fernzuhalten sucht, nimmt die Vorstellung eines Möglichkeitsraumes jenseits der klassischen Kategorien innen/außen, vorne/hinten oder wesentlich/unwesentlich Gestalt an.

Text: Birgit Effinger | Kunstwissenschaftlerin, Berlin | 2010-09-12 + Abbildungen/photographs © Thomas Häntzschel | nordlicht

 

pfeil

 

 

 

 

 

 

 

Lennart Alves | Time Works
Ausstellung/exhibition 01. August bis/to 04. September 2010

 


Einfangen der Zeit.
Nahe bei Trelleborg, im Windschatten eines Bunkers aus dem zweiten Weltkrieg direkt an der Ostseeküste, Blickrichtung Süden, steht Lennart Alves im April des Jahres 2008 hinter seiner Kamera. Punkt 20.00 Uhr, etwa eine Stunde vor Sonnenuntergang, betätigt er das erste Mal den Auslöser, Blende 22, Zeit 1/8 sek., wie er sich notiert. Zu jeder vollen Stunde, 24 mal insgesamt, belichtet er ein Bild in exakt gleich bleibender Ausrichtung. Die Arbeit „Time – Interval and Variation“ entsteht. Vorangegangen ist ein Jahr intensive Vorbereitungszeit. Bereits sieben Versuche seinen Plan umzusetzen, jeweils 24 Stunden gescheitertes Experiment, liegen hinter ihm. Einmal ist es zu kalt, die Linse beschlägt, Nebel kommt auf, Regen setzt ein oder der Mond durchzieht unerwartet nicht das Blickfeld der Optik. Lennart Alves ist ein sturer Kämpfer, Geduld und Ausdauer hat er beim Leistungssport Schwimmen und bei seinen 18-km-Ausdauerläufen trainiert.

Lennart Alves, 1971 in Malmö geboren, studierte Fotografie und Kunstgeschichte am Zentrum für Kunst und Kommunikation in Lissabon. Er liebt das Meer, er beobachtet den Planetenflug, er zaubert in 27 Minuten Belichtungszeit aus Luna eine Leuchtstoffröhre. Das amüsiert ihn. Er erzählt Geschichten, plant Spannungsbögen und Zeitabläufe. Der Künstler fotografiert wie ein Kameramann Bilder filmt.

 

„Sunsets and Sunrises – Everything we see could also be otherwise“, Lennart Alves Zwillingsbilder zeigen den Fernblick auf das Meer exakt eine Sekunde nach Sonnenuntergang und genau eine Sekunde vor Sonnenaufgang. Später entsteht die hier in der Ausstellung gezeigte Arbeit „Nacht, Mutter des Tages“. Der Titel dieser Arbeit stammt aus einem Poem des schwedischen Dichters Erik Johan Stagnelius. Er beendet mit dieser Zeile einen dunklen, mystisch-philosophischen Text. Lennart Alves betätigt wieder den Auslöser seiner Kamera in dem Moment, in dem die Sonne scheinbar im Meer verschwindet. Jedoch bleibt die Blende dieses Mal die ganze Nacht geöffnet. Erst Sekundenbruchteile vor Sonnenaufgang schließt er die Blende. Ein geheimnisvolles Bild entsteht. Vorbeiziehende Schiffe malen in dieser Nacht mit ihren Positionslichtern einen Streifen in den Horizont, Sterne durchstoßen als Pfeile den Himmel, die Nacht ist im Restlicht der Sonne mit dem Tag vermählt.

 

„Time Works“ – fünf Elemente kennt die buddhistische Lehre: Erde, Wasser, Feuer, Luft und Leere. Das Werden, Wandeln und Vergehen, die Beziehung Mensch und Himmel interessieren Lennart Alves. Kreisrunde Objekte schweben in spielerischen Konstellationen auf der Wand, im Mittelpunkt eine Sonne, ein Mond, ein Auge. Der Künstler jagt mit seinem Fischaugenobjektiv Wolken, klebt sie auf eine Scheibe, lässt sie kreisen. Mit seinem feinen Humor hat er den Elementen eine Wanduhr beigefügt, die Zeiger beweisen es: „Time Works“.

 

Holger Stark | 2010-07-31

Abbildungen/photographs © Lennart Alves | Part of the work: Time – Interval and Variation | Part of the work: Sunsets and Sunrises – Everything we see could also be otherwise | Foto © Thomas Häntzschel | nordlicht

 

pfeil

 

 

 

 

 

Tim Kellner | I Am Not There
Ausstellung vom 05. Juni bis 24. Juli 2010

 

Der Letzte macht das Licht aus

„… and I wish I was beside – but I am not there I am gone“, lamentierte 1967 ein verzweifelter Bob Dylan in seinem rumpelig aufgenommenen Song „I’m not there“ über den Verlust einer Liebe. In den Arbeiten der gleichnamigen Portraitserie von Tim Kellner ist diese Wehmut über Verlorenes ebenso zu spüren. Kellners Bilder erzählen von Vergänglichkeit, von verzweifelter Nostalgie vielleicht, von verpassten Chancen und von vergangenen Augenblicken. Er zeigt uns Portraitaufnahmen von Menschen, die wie flüchtige Gestalten am Betrachter vorüberziehen. Hier gibt es keine Mimik, keine fein geschnittenen Gesichtszüge, keinen aussagekräftige Hinweis auf irgendeinen Aspekt von Individualität. Es scheint, als wären die Portraitierten schon längst wieder verschwunden, als der Verschluß der Kamera klickte. Nurmehr Vexierbilder bleiben als Ergebnis von teilweise hastigen, teilweise aufwendig inszenierten Studiosituationen. Auch Kellners Serie „Stages“ atmet diesen Geist des Flüchtigen. Die aufgenommenen Szenen zeigen, wie wenig sich Kellner um die Individualität seines Personals kümmert. Die von ihm fotografierten Menschen scheinen, als seien sie lediglich in Kauf genommene Störfaktoren bei der Betrachtung seines eigentlichen Gegenstands.
Am Ende bleiben in vielen Arbeiten Kellners leere, wesenlose Container zurück, die mit Geist zu füllen zur Aufgabe des Publikums wird. Kellner selbst liefert dazu das Ambiente, den Stoff der Geschichten blendet er aus. Hin und wieder finden sich Zitate aus der Fotografiegeschichte, doch damit werden höchstens falsche Fährten auf der Suche nach der zu Grunde liegenden Erzählung gelegt. Denn die führt letztendlich zu nicht mehr und nicht weniger als zur elementaren Beschreibung des unaufhaltsamen Voranschreitens der Dinge und der Flüchtigkeit des Blickes.

Text: Thomas Klemm, Leipzig | Abbildungen © Tim Kellner

 

 

pfeil

 

 

 

 

 

 


Claudia Maria Ammann | apfelbaum

Ausstellung vom 28. März bis 24. April 2010

internet

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Foto © Thomas Häntzschel | nordlicht

Interdisziplinäres Gespräch zur Vernissage: die ausgestellte Arbeit der Künstlerin wurde aus den Blickwinkeln Kunst | Mathematik | Bildung | Naturwissenschaften von Dr. Kornelia Röder, Graphisches Kabinett der Staatlichen Museen Schwerin | Dr. Bärbel Lorenz, Mathematikerin, Leiterin des Duden-Institut für Lerntherapie, Mecklenburg | Solveig Haugwitz, Referentin für Aus-, Fort- und Weiterbildung, Rostock und Vera Hempel, Kindergärtnerin, Psychomotorik, Hamburg betrachtet.

Moritz Köther spielte auf dem Einmaleins Saxophon dazu.

b14

Foto © Ben Breidbach

 

 

 

pfeil

 

 

 

 

 

 


das ist meins und das ist deins

Lennart Alves | Juliane Laitzsch | Holger Lippmann | Udo Rathke |
Iris Thürmer | Ruzica Zajec | Tanja Zimmermann

Ausstellung vom 19. Dezember 2009 – 30. Januar 2010

 

 

LENNART ALVES | www.lennartalves.se

Still #760 | from the series 1800 Stills or Have We Passed the Border Yet? | 2006, Baltic Sea (coast of Rügen) | projected photograph

 

 

JULIANE LAITZSCH | www.juliane-laitzsch.de
Juliane LAITZSCH orientieren
orientieren
| 2009 | Tusche auf Papier | 29,7 x 42 cm

 

 

HOLGER LIPMANN |www.holgerlippmann.de
Holger LIPPMANN sudden eruption
sudden eruption
| vector-flower series | 2009 | programmiert in processing | lambda print | 50 x 70 cm und 90 x 125 cm

 

 

UDO RATHKE | www.udo-rathke.de
Udo RATHKE Mirror Landscape
Mirror Landscape| 2009 | C-Print auf Aludibond
| 67 x 120 cm

 

 

IRIS THÜRMER | www.iris-thuermer.de
Iris THUERMER kein grund
kein grund zur beunruhigung | 2009 | Bleistift auf Karteikarte blanco
| DIN A5

 

 

RUZICA ZAJEC |www.rzajec.de
Ruzica ZAJEC Nachspiell ll
Nachspiel ll | 2009 | Acrylfarbe auf Glas
| 70 x 100 cm

 

 

TANJA ZIMMERMANN | www.tanja-zimmermann.com
Tanja ZIMMERMANN Ein Morgen
Ein Morgen für J.
| 2009 | Aquarell und Collage auf Papier | 70 x 100 cm

 

 

das ist meins und das ist deins
Pro Künstler werden in der Galerie zwei Arbeiten ausgestellt. Beide sind formal, inhaltlich oder auch emotional für den/die Künstler/in wichtig. Eines der Werke ist während der Ausstellung verkäuflich. Das zweite Werk ist dagegen unverkäuflich, z.B. weil es für den Künstler den Ausgangspunkt weiterer Arbeit darstellt, persönlich mit einer starken Erinnerung verbunden ist oder sich in Fremdbesitz befindet.
Die hier gezeigten Arbeiten der Künstler sind dem zur Ausstellung erscheinenden Katalog entnommen.
//////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////
We will exhibit two works of art per artist. With regards to shape, contents and emotional aspects, the works should be of mutually high importance to the artist, individually as well as collectively. One of the exhibited objects will be for sale; the other will not be for sale. The latter item could be of higher importance to the artist as it might, for instance, be a vital asset for the artist´s ongoing development process. It could also be of personal emotional value to the artist as it might symbolise a powerful memory, or it could be owned by other people.

Abbildungen © bei der wolkenbank kunst+räume + bei den Künstlern

pfeil

 

 

 

 

Generative Malerei – Wolf Lieser [DAM]Berlin

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Künstler haben immer wieder neue Wege beschritten, entweder um ihre Ideen umsetzen zu können oder auch erst mal nur des Experimentes wegen. Entsprechend nahe liegend war es auch bereits in den 1960er Jahren – nachdem die ersten Computer an Universitäten und großen Unternehmen zur Verfügung standen -,  die ersten computergenerierten Plotterzeichnungen oder Animationen mit Hilfe dieses neuen Werkzeugs hervor zu bringen.
Heute ist ein Leben ohne Computer in unsere hochtechnisierten Welt nicht mehr vorstellbar und selbst Künstler, die primär mit traditionellen Medien wie Malerei oder Bildhauerei arbeiten, nutzen Computer für verschiedene Arbeitsschritte wie Entwürfe, Rendering oder Collagen.

Holger Lippmann bezeichnet einen Teil seines Werkes als digitale Malerei. Was unterscheidet die digitale Malerei von der traditionellen Malerei auf  Leinwand oder Papier? Grundsätzlich würde ich innerhalb der digitalen Malerei noch eine weitere Differenzierung sehen: den Arbeiten, die am Computer mit Hilfe von vorgefertigten Graphik-Werkzeugen wie virtuellen Pinseln oder Stiften gemalte Bilder erstellt werden – wie es David Hockney kürzlich publikumswirksam vorgeführt hat , in dem er auf dem Ipad eine Sonnenblumenbild malte – und dem generativen Arbeiten mit dem Computer, wo mittels selbst geschriebener Programme ästhetische Konzepte als Bilder oder Animationen kontinuierlich Werke hervorgebracht werden. Jedes Ausführen der Software kreiert im Rahmen des vordefinierten Systems neue Bilder. Diesen Prozess kann man als generative Malerei beschreiben.

Die Konzentration eines Malers liegt bei einem Leinwandbild auf der Komposition und Farbgebung mit dem Ziel eines gelungenen Bildes, wie immer das auch für ihn definiert ist. Die Vorgehensweise bei Lippmann ist völlig anders: sein Werkzeug ist das selbst geschriebene Programm, welches eine Analyse oder bewusste Entwicklung von Charakteristika und Grundelementen voraussetzt. Aus dem Konzept und entsprechender Programmierung entsteht dann im Zusammenwirken all dieser Elemente ein organischer Ablauf, der fließend immer wieder neue Bilder (oder als deren Abfolge auch einen Film) entstehen lässt. Das Resultat ist also nicht ein Einzelbild sondern eine Serie. Hier liegt der entscheidende Unterschied zur althergebrachten Arbeitsweise mit dem Original.. Die Serie von Bildern besteht aus unterschiedlichen Einzelbildern, die normalerweise nicht identisch sind. Das Einzelbild existiert bei dieser Herangehensweise eigentlich nicht als autonomes Kunstwerk. Selbst wenn wir eincomputergeneriertes Bild betrachten, steht es für einen Bilderzyklus. Der Künstler wählt  ein Bild aus einer Serie aus, welches dann, wie im Fall von Holger Lippmannn, als Computer-Print realisiert wird. Dies ist eine persönliche Entscheidung des Künstlers, denn jedes Bild des vordefinierten Programms ist analytisch betrachtet genauso gut wie das andere. Dennoch wird man feststellen, dass manche Einzelbilder erfolgreicher sind als andere. Doch das ist ein anderes Thema.

Holger Lippmann hat ein traditionelles Kunststudium der Bildhauerei abgeschlossen, bevor er sich dem Computer als Werkzeug zugewandt hat.  Die Möglichkeit, sich nicht auf ein Medium fixieren zu müssen, ist hier durchaus ein Vorteil und macht sich in seinen Arbeiten auch immer wieder bemerkbar. Lippmanns Arbeiten bewegen sich zwischen abstrakten sogenannten „Visuals“ der Clubkultur, die oft mit computergenerierten Sounds verwoben sind, bis bin zu generativen Wiesen- oder Waldszenarien. Ihnen gemein ist jedoch ein hohes Maß an Abstraktion bis hin zum Minimalismus.  Glücklicherweise jedoch nie ein “David Hockney”.